Spatz beim Konzert

Spatz am Dach

Da hat der Spatz aber geschaut, wie s auf einmal am Stadtplatz, mitten aufm Herrenmarkt ein Riesenentrumm Haus hingebaut haben, gleich groß wie s Rathaus, nur auf der einen Seite offen, wie ein Vogelhaus. Da jammern die Leut immer, dass man vor lauter Denkmalschutz und Genehmigungsbehörden am eigenen Haus keinen Fensterladen verändern darf, und dann steht über Nacht so ein Mords-Klotz da. Versteh einer die Menschen! Was denen alles einfällt.

Am nächsten Tag hat der Spatz nicht bloß geschaut, sondern auch seinen Ohren nicht mehr getraut. Da hat der Schwarzbau auf einmal Töne von sich gegeben, wie sie im ganzen Tierreich nicht vorkommen. Ein tiefes Wummern, zum Beispiel, das die Fensterscheiben der alten Häuser zum Klirren gebracht hat. Und dann so ähnliche Tonfolgen wie auf den Wischtäfelchen, die alle Menschen mit sich herumtragen, aber in der Lautstärke von einem Sommergewitter mit Hagel und Starkregen. „Ja, was steh i aus!?“ hat der Spatz entsetzt gerufen und seine Frau hat ihn belehrt: „das ist für ein Konzert“.

Das Konzert war dann noch einen Tag später. Der Spatz ist im Rotdornbaum vor der Bühne gesessen, ohne Eintrittskarte versteht sich, Anwohner sein hat halt auch Vorteile. Und weil s ihm so gut gefallen hat, hat er sich das Rock-Konzert am Tag drauf auch angehört. Wobei das Hören da schon eher ein Spüren war, die Schwingungen schütteln den ganzen Spatzenleib durch, so was hat er noch nie erlebt. Aber die Auftritte haben dem Spatzen gut gefallen, alle zwei. Sakkra, hat er sich gedacht, mit so einem Monster Verstärker tät ich auch gern einmal singen. Da wär ich endlich wer. Und alle Feldspatzen im weiten Umland täten vor Schreck das Fliegen vergessen und an den jüngsten Tag glauben.

Noch einen Tag später war dann der Herrenmarkt schon wieder leer geräumt, also das Vogelhaus abgebaut, die Bauzäune weggeräumt, die zwei Lastzüge voll Technik unterwegs zum nächsten Auftritt. Schnell waren die Autos der Anwohner wieder an ihrem Platz. Die Menschen haben sich in Stadtplatzlautstärke unterhalten wie vorher. Da war der Spatz dann auch ganz froh drüber, dass er sein eigenes Ziep wieder verstanden hat. „Ist auch gescheiter so“, hat er sich gedacht, „die Feldspatzen derschrecken ist vielleicht gar nicht so lustig, und der jüngste Tag kommt hoffentlich noch lange nicht.

Josef Wittmann