Spatz am Dach

Spatz am Dach

Der Spatz ist ein echter Tittmoninger und freut sich jetzt auf einen goldenen Oktober nach dem ins Wasser gefallenen Sommer. Wobei … so arg war es für ihn gar nicht. Brütende Hitze ist nicht sein Lieblingswetter. Wenn die Leute in den Biergärten nur noch ächzen und vor lauter Durst Wasser trinken, wenn sie zum Brotzeitmachen in die kühlen Häuser flüchten und rein gar nichts für ihn fallen lassen, ach was, so ein nasser Sommer hat schon was! Grad genug Hochwasser, dass es reichlich Staunzen gibt, grad genug Regenpausen, dass die Leut unterm Sonnenschirm schnell ihren Nachmittags-Kuchen schnabulieren und vor lauter Eile ordentlich bröseln, grad genug Regentage, dass sich die Katzen unter Dach in ihre Körbchen verdrücken und die Jungspatzen in Ruhe lassen. Schön hat s der Spatz in einem Jahr wie diesem.

Schön hat er s vor allem, weil ihm sein Spatzenhirn nicht erlaubt, sich über den Klimawandel Gedanken zu machen. Für „Klima“ hat er nicht einmal einen extra „Ziep“, für Sauwetter und für Sonnenschein schon. So lang lebt er gar nicht, dass er das Wetter verschiedener Jahre vergleichen könnte. Und wenn er s könnte, wollte er es nicht. Dass das Wetter wetterwendisch ist, gehört für ihn zu seinen Grunderfahrungen, daran rüttelt er nicht.

Was seine smartphone-glotzenden Mit-Tittmoninger umtreibt, wenn sie vor Sorgen und Aufregungen ihren Kuchen fast nicht dergabeln, geschweige denn genießen können, ahnt er gar nicht. Die Corona-Pandemie ist ihm völlig hinterm Gefieder vorbeige-gangen, die Einschränkung der Grundrechte hat ihm gar nix getan – es hat ihm ja auch niemand gedroht, ihn zu rupfen, wenn er gegen Regeln verstößt. Weder der Wahlkampf noch der Wahlausgang sind ihm nahe gegangen. Von Afghanistan weiß er nicht einmal, dass es existiert. Und die Autokolonnen von Tor zu Tor an den sommerlichen Reise-Wochenenden haben ihn auch nicht aufgeregt. Er hat ja drüber fliegen können. Und wenn er gelegentlich auf ein knurrendes PS-Monster oder ein wohnblocklanges Caravan-Dach ein Batzerl fallen hat lassen, dann nicht aus Protest, sondern weil er müssen hat.

Ob ich ihn jetzt beneiden soll, habe ich kürzlich einen Spatzen gefragt, der ganz zutraulich unterm Kaffeehaustisch auf seinen Anteil an meinem Blätterteig-Hörndl gewartet hat. Da hat er mich aber angeschaut! Wie ein vollkommen missratenes Ungeheuer. Und die Haltung hat mehr gesagt als Worte: „Red keinen Papp, du Mensch du, hau die Brösel her und lass mich in Ruhe!“

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