Spatz am Dach

Spatz am Dach

Der Spatz hat eine mords Freud mit der Freiheit. Die meisten Einschränkungen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie sind aufgehoben, in der Zeitung ist es gestanden. Die hat er zwar nicht lesen können, aber gemerkt hat er’s: Es ist quasi ein Ruck durch die Stadt gegangen, die Ketten sind gesprengt zu Boden gefallen, den Rumpler hat man bis in die Krone der Rotdorn-Bäume gespürt und der Spatz hat erkannt, jetzt ist was Großes geschehn.

Jetzt sitzen die Sonnenanbeter schon in der Früh auf den Stadtplatz-Bankerln, vor den Cafés an den Tischen zupfen sie mundgerechte Bröckerl von den Blätterteighörndln, und die Handwerker holen Leberkässemmeln beim Metzger und finden auch noch wo Platz. So selig genießen sie ihre unterschiedlichen Brotzeiten, dass ihnen gar nicht auffällt, was alles hinunterfällt. Das ist die Sekunde des Spatzen, ein beherzter Flatterer vorwärts, Brösel aufpicken und gleich den Schwung nutzen zum Auffliegen; denn daheim im Nest wartet die Spätzin auf Futter, damit sie ungestört weiter brüten kann.

Wie das jetzt genau mit der Maskenpflicht geregelt ist, wo sich die Menschen den Mund zubinden müssen und wo nicht, das interessiert den Spatzen gleich noch weniger als die Leute selber. Die Angst, dass man sich anstecken und richtig schwer krank werden könnte, ist mit dem Winter gewichen. Die Statistiken über Infektionen, Inzidenzen, Belegung der Krankenhäuser, Todesfälle, die man zwei Jahre lang verfolgt hat, sind Makulatur geworden, die Zahlen sind zwar bedenklich, aber den Leuten keinen Gedanken mehr wert. Jetzt kommt erst einmal der Sommer. Ob im Herbst eine neue Welle kommt, werden sie im Herbst früh genug merken. Diese leichtlebige Zuversicht teilt der Spatz gern mit den Menschen, die meisten Lebewesen sehen das ebenso.

Na ja, leichtlebig trifft auf den Spatzen nicht ganz zu. Viele Zweibeiner haben sich im Corona-Modus Katzen zugelegt, damit ihrem Wehklagen irgendwer zuhört. Mit abnehmend beklagenswertem Weh lässt ihre Zuneigung zu den Katzen nach. Am liebsten würden sie die Wohnzimmertiger jetzt zurückgeben – was natürlich dem Image schaden würde, niemand lässt sich nachsagen, er hätte sich ein Haustier aus niederen Beweggründen angeschafft. Aber Freiheit müssen jetzt auch die Katzen lernen – sehr zum Leidwesen der Spatzen.

Er hat schon einen Schwarm Nachbarn mobil gemacht. Spatzen der Altstadt vereinigt Euch, ziepen sie, weg mit den Alibikatzen. Jede Woche werden sie jetzt Spaziergänge organisieren. Bei den Menschen hat das auch geholfen. Ein Bisserl wenigstens.