Ausstellung; Petra Liebl-Osborne; Rathaus; Galerie Knapp bei Kasse

VOTOMATICs-Wahlmaschinen im Rathaus – eine Ausstellung von Petra Liebl-Osborne

Am 8. Oktober ist Landtagswahl in Bayern. Wieder einmal sind alle Bürgerinnen und Bürger aufgerufen, zur Wahlurne zu gehen oder ihre Stimme per Briefwahl abzugeben. Im Rathaus laufen die Vorbereitungen auf Hochtouren. In den Ortsteilen werden am Wahlsonntag insgesamt sechs Urnenwahllokale eingerichtet, außerdem gibt es acht Briefwahllokale, wo die Stimmen ausgezählt werden, die per Post eingehen oder im Rathausbriefkasten eingeworfen werden. Damit die Wahlen bei uns vorschriftsgemäß und reibungslos ablaufen und am Ende eines langen Wahltages die richtigen Zahlen ans Landratsamt gemeldet werden können, opfern in unserer Gemeinde am Wahlsonntag 96 ehrenamtliche Wahlhelferinnen und –helfer ihre Freizeit, zusätzlich sind 24 städtische Angestellte zum Sonntagsdienst eingeteilt.

Wahlumschläge aufschlitzen, Stimmzettel sortieren und Strichlisten führen – in unserer zunehmend durchdigitalisierten Welt mag das anachronistisch erscheinen. Da soll man einen Wahlbrief einwerfen oder gar selbst in die Wahlkabine gehen, kann man das Wahlrecht denn nicht per Mausklick am Wahlcomputer ausüben? Oder wenigstens mit Hilfe von mechanischen Wahlmaschinen, deren Lochkarten maschinell ausgewertet werden? Ist unsere Wahlmethode nicht hoffnungslos rückständig?

Der Einsatz mechanischer oder elektrischer Wahlgeräte würde Personal einsparen, die Stimmabgabe erleichtern, die Auszählung beschleunigen und menschliche Fehler dabei verhindern – könnte man meinen. Sind dann aber nicht statt menschlicher Fehler technische möglich? Wird nicht der ganze Wahlvorgang durch die Automatisierung intransparent, nachträglich nicht mehr nachvollziehbar und damit manipulierbar? Das Bundesverfassungsgericht hat jedenfalls 2009 in einer Grundsatzentscheidung die bisherige Verwendung von Wahlgeräten in Deutschland aus verschiedenen Gründen für verfassungswidrig erklärt. Alle wesentlichen Schritte der Wahl müssen laut Grundgesetz öffentlich überprüfbar sein. Das ist möglich bei von Hand ausgefüllten Stimmzetteln, die nach der Zählung sorgfältig versiegelt und aufbewahrt werden, nicht aber bei Wahlmaschinen. Eine Automatisierung ist nicht unbedingt eine Verbesserung.

Im April dieses Jahres hat der US-Sender FOX News in einem gerichtlichen Vergleich dem Wahlmaschinen-Hersteller Dominion fast 800 Millionen Dollar bezahlt. Dominion hatte geklagt, weil der Sender Donald Trumps Behauptung verbreitet hatte, mit den Wahlmaschinen seien die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl 2020 verfälscht worden. Schon zwanzig Jahre zuvor hatten sich die öffentlichen US-Wahlmaschinen VOTOMATICs, die mechanisch mit Lochkarten funktionieren, bei der bis heute umstrittenen US-Präsidentschaftswahl von 2000, als der republikanische Kandidat George W. Bush knapp gegen den Demokraten Al Gore gewann, als uneindeutig oder manipulationsanfällig erwiesen. Unklare Ergebnisse in vier Bezirken Floridas, in denen mittels Votomatics gewählt wurde, führten damals dazu, dass nach einem Gerichtsurteil eine Nachzählung per Hand angeordnet wurde. Vom Obersten US-Gerichtshof wurde dies wiederum für ungültig erklärt, und Bush wurde fünf Wochen nach der Wahl vom Obersten Gericht zum Gewinner der Wahl bestimmt. Die betroffenen Wahlmaschinen wurden in Florida direkt nach der Wahl im Jahr 2000 ausgemustert.

In blauen Metallkoffern zu hochhausartigen Türmen aufgeschichtet, standen sie am Gemeinde-Schrottplatz in einem der betroffenen Counties in Florida zum Verkauf. Dieser Anblick inspirierte die Künstlerin Petra Liebl-Osborne zur künstlerischen Auseinandersetzung mit den Themen Wahl und Wahlmanipulation, die sie seither immer wieder beschäftigt. Sie kommt aus Tittmoning und lebt teilweise in den USA, wo sie mit ihrem Mann in Miami zu Hause ist. Ihr Blick auf Deutschland, Bayern und Tittmoning ist zugleich einer von innen und von außen. Anlässlich der bevorstehenden Landtagswahl in Bayern hat sie nun für die kleine Galerie „Knapp bei Kasse“ im 1. Stock des Rathauses eine Ausstellung mit Fotos, Zeichnungen und künstlerischen Objekten sowie mit drei originalen US-Wahlmaschinen konzipiert, um Reflektionen über Wahlmethoden anzustoßen. Der Titel:

„Wählen zählt – Voting matters“.

Wahlmaschine VOTOMATICs

„Die Ausstellung meiner Arbeiten und der originalen Votomatics zur Wahl soll daran erinnern, dass die Wahl der Volksvertreter und Volksvertreterinnen unser höchstes demokratisches Gut darstellt, und dazu mahnen, es vor Manipulation und Betrug zu schützen. Unser einfaches System mit Bleistift und Kreuz erweist sich nach meiner Wahrnehmung als gut überschaubares und sicheres System“, so die Künstlerin. Die Votomatics stehen in ihren Augen für den Beginn einer Hinwendung zu medialen Formen des Wählens, die nur vermeintlich einen Fortschritt bedeuten und in Wahrheit große Gefahren bergen.

Wer die US-Wahlmaschinen einmal aus der Nähe betrachten möchte, kann sie noch bis Ende November zu den Öffnungszeiten des Rathauses dort in der ersten Etage in Augenschein nehmen. Daneben sind im Rathausgang und in der Stadtkasse Fotos und Objekte der Künstlerin zu diesem Thema zu sehen. In malerischer und zeichnerischer Form beschäftigt sie sich mit den blauen Türmen der ausgemusterten Wahlmaschinen-Koffer, die sie auch als „Wahlruinen“ bezeichnet.

Dr. Gerda Poschmann-Reichenau