Gudrun Reubel auf der Burg in Tittmoning

„…ein weiter Weg…“ Ausstellung von Gudrun Reubel in der Burg

Nachdem für die Kunstausstellungen in der Burg im vergangenen Jahr nur der Prälatenstock zur Verfügung stand, weil im Fürstenstock die Geschichte der Burgschwaiger in Tittmoning dokumentiert wurde, können sich die Künstlerinnen und Künstler heuer wieder über beide Trakte ausbreiten. Um all diese Räume alleine gut „bespielen“ zu können, muss man schon auf ein umfassendes Werk zurückgreifen können. Das kann die Künstlerin, die die diesjährige Ausstellungssaison in der Burg mit einer Einzelausstellung eröffnet: Die in Oberndorf geborene Gudrun Reubel, die heute in Fridolfing lebt und arbeitet, hat im Laufe ihres Lebens ein umfangreiches Werk geschaffen, das von dem weiten Weg zeugt, den die Künstlerin in den Jahrzehnten ihres Schaffens zurückgelegt hat.

Stationen dieses Weges waren seit 1989 zahlreiche Einzel- und Gruppenausstellungen u.a. in Salzburg, Linz, Regensburg, Rosenheim und im Münchener Haus der Kunst. Immer wieder waren ihre Werke in der Städtischen Galerie Traunstein und bei der Kunstmeile Trostberg zu sehen, aber auch im Exter-Haus in Übersee und in der Budapester Galerie der Künstler war sie zu Gast. Gudrun Reubel war vertreten auf Kunstmessen in Düsseldorf, Innsbruck, Gent, Leipzig und Wien. Drei Kataloge dokumentieren vor allem das Hauptfeld ihrer künstlerischen Tätigkeit, die Radierung. Neben den Städten Traunstein und Burghausen steht auf ihrer Liste öffentlicher Ankäufer unter anderem auch die Bayerische Staatsgemäldesammlung.

Der Titel der Tittmoninger Ausstellung „…ein weiter Weg…“ bezieht sich aber nicht nur auf ihren eigenen, von der Kunst geprägten Lebensweg, sondern auch und vor allem auf den weiten Weg der Menschheit von der Entwicklung des Homo sapiens bis zum „Anthropozän“, in dem wir heute leben. Diesen Begriff hat der mittlerweile verstorbene niederländische Chemiker und Atmosphärenforscher Paul J. Crutzen, der für seine Forschungen zum Ozonloch 1995 den Chemie-Nobelpreis erhielt, im Jahr 2000 für unser vom Menschen geprägtes Zeitalter ins Spiel gebracht.

2016 hat die Anthropocene Working Group, eine internationale Arbeitsgruppe aus 35 Forscher*innen, sich für die Einführung dieses Begriffs zur Bezeichnung eines neuen Erdzeitalters ausgesprochen, als dessen Beginn die Mitte des 20. Jahrhunderts vorgeschlagen wird – der Zeitpunkt der ersten Atombombentests und, in der Folge, radioaktiven Niederschläge. Seit damals werde die Erde vom Menschen „global nachweisbar und teils unumkehrbar“ so stark geprägt und bestimmt, dass die Auswirkungen noch in 100.000 bis 300.000 Jahren spürbar sein werden. Damit wirke der Mensch so massiv auf die biologischen, geologischen und atmosphärischen Prozesse der Erde ein, dass eine erdzeitliche Epoche nach ihm benannt werden soll. Was prägend für eine erdzeitliche Epoche ist, kann an den entsprechenden Gesteinsschichten abgelesen werden. Wie einen Fingerabdruck hinterlassen die Menschen heute ihre Spuren dort – durch Umweltschädigungen, deren Folgen sich weltweit auf der Erdoberfläche nachweisen lassen, und durch künstlich erzeugte Materialien wie Beton, Aluminium und Plastik.

Für Gudrun Reubel ist klar: Wir leben im Zeitalter des Anthropozäns. „Als Mittelpunkt der Welt sieht sich der Mensch schon lange“, meint sie, und sieht für den insbesondere in der westlichen Welt seit Jahrhunderten vorherrschenden Anthropozentrismus weltanschauliche, ethische und religiöse Gründe. Dass der Mensch durch den wissenschaftlichen Fortschritt beispielsweise in der Gentechnik mittlerweile in der Lage ist, die Welt nach seinen Wünschen und Bedürfnissen zu formen, „mit gravierenden, ja verheerenden Folgen, wie wir in jüngster Zeit sehen“, zeugt ihrer Meinung nach von der unvergleichlichen menschlichen Hybris, die ihn glauben lasse, er könne die Natur verbessern.

„Der Mensch hat aber nicht nur zerstörerische Seiten“, betont die Künstlerin. Einzigartig und unvergleichlich sei er auch darin, dass er Wunderschönes hervorbringen könne, so etwa die verschiedenen Künste. Bei all seinen Fähigkeiten, so ist sie überzeugt, sollte der Mensch immer mit Respekt vor allen Wesen dieser Erde und vor der Natur insgesamt handeln: „Er ist nicht mehr und nicht weniger wert, er ist ein Teil davon.“ Manche ihrer Werke, so etwa die Reihe Gen-Art, thematisieren das spannungsgeladene Verhältnis zwischen Mensch und Natur und das bedrohlich Zerstörerische des Anthropozentrismus, andere das respektvolle Miteinander von Mensch und Natur. Viele der Materialbilder, Gemälde, Fotografien, grafischen Arbeiten und weitere Objekte, die sie in der Burg Tittmoning ausstellt, sind aber auch gegenstandslos und spüren nur der Schönheit von Natur und Kunst nach, für den sie den Blick des Betrachters öffnen wollen.

Die Ausstellung wird am 3. Mai um 19 Uhr mit einer Vernissage eröffnet, die bei trockener Witterung im Burghof stattfindet und bei Regen im Grabkreuzraum. Sie ist bis 16. Juni immer mittwochs bis sonntags von 14 bis 17 Uhr geöffnet. Möglichkeiten zur Begegnung mit der Künstlerin lassen sich individuell verabreden. Eine Kontaktaufnahme ist über die Website www.g-reubel.de und per E-Mail info@g-reubel.de möglich.

Dr. Gerda Poschmann-Reichenau