Windkraft zur Energiewende in Tittmoning

Windkraft in Bayern – „Volle Kraft für die Energiewende“

Südostbayern ist bisher bei der Energiewende in Bezug auf Ausbau der Windkraft eher unterbesetzt. Horst Seehofer bremste die Entwicklung der Windkraft in Bayern 2014 mit der Einführung der 10 h-Regelung fast vollständig aus. Die Bauanträge für Windkraftanlagen gingen von 400 Stück pro Jahr auf weniger als 10 zurück.

Die jetzige Bundesregierung will den Ausbau erneuerbarer Energien mit Hochdruck vorantreiben. Daher wurde im Koalitionsvertrag als Ziel vorgegeben, 2 % der Landfläche der Bundesrepublik für Windkraft auszuweisen. Durch die 2023 in Kraft getretenen Gesetze Wind-an-Land-Gesetz und Windflächenbedarfsgesetz erfolgte die rechtliche Umsetzung dieses Ziels.

Für die einzelnen Bundesländer bestehen nun konkrete Vorgaben, wieviel Fläche bis wann als Vorranggebiete für Windkraft ausgewiesen werden müssen. In Bayern sind das bis 2027 1,1 % und bis 2032 1,8 % der Fläche. Sollten die Vorgaben bis dahin nicht umgesetzt sein, drohen Sanktionen, zum Beispiel in Form von Aufhebung der 10 h-Regel und/oder Aufhebung der bisher ausgewiesenen Ausschlussgebiete für Windkraft.

Warum gerade 2 % der Fläche?

In Deutschland werden derzeit ca. 600 TWh Strom im Jahr erzeugt, die Hälfte davon schon jetzt aus erneuerbaren Energien. Für eine 100%ige Umstellung müssen weitere 300 TWh aus nichtfossilen Quellen generiert werden. Davon soll die eine Hälfte mit Sonnenenergie, die zweite Hälfte mit Windenergie gewonnen werden.

Moderne Windräder haben eine Peak-Leistung von 6 – 7 Megawatt. Zum Vergleich: Die bestehenden Windräder in Palling haben eine Peak-Leistung von 1,5 Megawatt pro Windrad. Die tatsächliche Auslastung der Windräder hängt vom Standort und natürlich den Windverhältnissen ab. Offshore-Windräder haben eine Auslastung von bis zu 50 % der Peak-Leistung, in Bayern liegt die Auslastung derzeit bei ca. 17 bis 18 %. Bei einer bundesweiten Auslastung von durchschnittlich ca. 25 % werden zur Erzeugung von 150 TWh Strom ca. 10 000 moderne Windräder benötigt. Bei einer Belegung mit zwei bis drei Windrädern pro Quadratkilometer (mehr geht nicht, da sich die Windräder sonst im Wege stehen) kommt man auf die ca. 2 % der Gesamtfläche der Bundesrepublik.

Für Tittmoning bedeutet das, dass bis 2027 knapp 80 Hektar (0,8 km2) und bis 2032 knapp 130 Hektar (1,3 km2) Fläche für Windenergie-Anlagen ausgewiesen sein müssen. Dort fänden 3 bis 4 Windkraftanlagen Platz. Allerdings wird die Anforderung weniger auf einzelne Kommunen, sondern mindestens auf Landkreisebene angewandt. Trotz der neuen effizienteren Windräder mit größerer Nabenhöhe wird die Auslastung der Windräder immer niedriger, je näher man an die Alpen rückt.

Windenergie Stromerzeugung 2021 Effizienz nach Bundesländern

Inst. Leistung in MW (1)Erzeugung Soll in TWhErzeugung Ist in TWh (2)Auslastung in %
Mecklenb.-Vorp.3.567,0031,74610,1031,81%
Schleswig-Holstein7.015,0062,43318,6029,79%
Niedersachsen11.687,00104,01419,0018,27%
Bayern2.567,0022,8464,1017,95%
BW1.730,0015,3972,6016,89%
(1) https://www.wind-energie.de/themen/zahlen-und-fakten/
(2) Angaben der einzelnen Bundesläner u.A.
https://www.statistik.niedersachsen.de/presse/stromerzeugung-2021-in-niedersachsen-rueckgang-aus-erneuerbaren-energien-218153.html

Wäre Tittmoning mit 3-4 Windanlagen klimaneutral bei der Stromerzeugung?

Laut Datenstammblatt Tittmoning für 2020 aus dem Energienutzungsplan für den Landkreis Traunstein wurden in Tittmoning insgesamt 41.726 MWh Strom verbraucht. 56 % des Verbrauchs wurde bereits mit erneuerbaren Energien produziert. Der Anteil an Strom aus Photovoltaik-Anlagen liegt bei 25 % des Gesamtbedarfs, Biomasse stellt weitere 24 % zur Verfügung. 18.265 MWh müssten also in Zukunft mit Windkraft und/oder Sonne produziert werden, damit Tittmoning im Sektor Strom klimaneutral wäre.

Drei moderne Windräder mit 7 MW Peak-Leistung und 20 % Auslastung könnten pro Jahr 36.792 MWh Strom produzieren, also in etwa doppelt so viel, wie derzeit noch nicht erneuerbar produziert wird. Demnach sprechen sowohl der Flächenverbrauch pro kWh wie auch der Ertrag für den Ausbau der Windkraft.

Erfahrungen aus der Windkraftanlage in Palling

Hier haben sich die Anfangsprognosen nicht erfüllt. In einem Interview von 2012 berichtet der Betreiber der Anlage, Jürgen Oberhauser, über die erzielten Werte der Anlage seit 2005. Die Windräder haben zusammen eine Peak-Leistung von 3 MW und erzeugen Strom bei Windgeschwindigkeiten zwischen 2,8 und 25 m/s. Damals wurden im Schnitt 4,58 GWh pro Jahr produziert, die Windräder waren 68 % der Zeit in Betrieb. Die erzeugten Strommengen entsprechen einer Auslastung von 17,4 %.

Windräder und die Größenentwicklung
Die Windkraftanlagen in Palling haben eine Nabenhöhe von 100 m, einen Rotorblattdurchmesser von 77 m und eine Nennleistung von 1,5 MWp.
Neue Anlagen besitzen eine Nabenhöhe von 175 m, einen Rotordurchmesser von 175 m und eine Nennleistung von 7 MWp.
Quelle: Bundesverband Windenergie e.V: (BWE)

Für die Genehmigung einer Windkraftanlage ist auch die Wirtschaftlichkeit der Unternehmung zu belegen. Ein Kriterium dabei ist die Windhöffigkeit. Windhöffigkeit beschreibt die Erwartung, an wie vielen Tagen des Jahres Wind in einer bestimmten Höhe zu erwarten ist in Prozent. Nach aktuellen Forschungsergebnissen soll die Windhöffigkeit mit Windgeschwindigkeiten über 6,5 bzw. 7 m/s bei 50 % liegen, ein Wert, der in Südostbayern kaum zu erreichen ist.

Ein Teilhaber der Betreiber-Gesellschaft resümiert heute, dass die Windhöffigkeit in Palling zu optimistisch prognostiziert wurde. Ebenso unterschätzt wurden die Kosten für den Rückbau. Hierfür müssen die Rücklagen derzeit erhöht werden, was die Ausschüttung an die Teilhaber weiter reduziert.

Für den Erfolg einer Windkraftanlage ist seiner Meinung nach auch die regelmäßige technische Überwachung dringend geboten. Nach dem Wegzug des Initiators war dies in Palling nicht mehr gegeben und so fielen die Windkraftanlagen immer wieder aufgrund technischer Probleme aus. Die Investition war kaum profitabel, wenn man die derzeitige Inflation berücksichtigt. Die Renditen liegen bei 2 bis 5 % der Investitionssumme, je nach Wetterlage.

Ute Sesselmann