Wegkreuz für Ferdinand Joly

Ferdinand Joly: Gedenkweg zum Tod eines fahrenden Sängers vor 200 Jahren

Am 20. Oktober 1823 sahen Kayer Bauern, die auf dem Rückweg von Kirchheim waren, bei Enichham, nahe der Einmündung des Wegs von Elsenloh, ein Bündel am Wegrand liegen. Es stellte sich heraus, dass ein Toter da lag. Der alte Mann in abgetragener schwarzer Kleidung war Ferdinand Joly, bekannt als kunstfertiger Wanderbursch, der sich als Pfarrhelfer, Chorsänger, Stückeschreiber, Komponist, Lüftlmaler, Dichter und Laien-Regisseur in Salzburg und Bayern durchschlagen musste. Obwohl er den Behörden sorgsam aus dem Weg ging, war er geachtet und beliebt. Der Ausruf „mein lieber Scholli!“ wird immer noch benutzt, wenn Staunen und Überraschung zum Ausdruck kommen sollen.

Schild zum Gedächtnis an Ferdinand Scholi
Blechtafel zum Gedächtnis an Ferdinand Scholi

Nahe der Stelle, wo „Scholi“ gefunden wurde, gibt es schon lange ein Feldkreuz, das an ihn erinnert. Zum letzten Mal erneuert wurde es 1998. Der damals gepflanzte Rosenstock verdeckt inzwischen das Blechtäfelchen mit der Inschrift „An diesem Platz verstarb am 20. Oktober 1823 der ehrbare Ferdinand Joly, Student und hochfürstlicher Kammerdieners-Sohn von Salzburg im 58. Lebensjahr“. Den 200sten Todestag Ferdinand Jolys nimmt die Stadt Tittmoning zum Anlass, an den nicht ganz freiwillig Ruhelosen zu erinnern und über sein Leben und Wirken zu informieren.

Sein Großvater, Mathias Joly de Berre, musste um 1700 aus Frankreich fliehen. Das Edikt von Nantes, das den an Calvin orientierten evangelischen Christen Bürgerrecht und Religionsfreiheit zusicherte, wurde vom „Sonnenkönig“ Ludwig XIV aufgehoben; die sog. Hugenotten wurden mit Gewalt vertrieben. In Salzburg fanden Joly und seine Ehefrau ein Unterkommen; zwar mussten sie katholisch werden, erhielten aber das Bürgerrecht. Mathias Joly, Maître de Confiserie, wurde Hoflieferant und durfte sich „hochfürstlicher Confekt-Maister“ nennen. Aus der Familie stammten sieben Kinder, über die zwei Mädchen ist nichts überliefert, von den fünf Buben wurden vier Priester und der Jüngste übernahm die Zuckerbäckerei. Auch seiner Ehe entstammten sieben Kinder, von denen nur eine Tochter und der jüngste Sohn Ferdinand das Kleinkindalter überlebten. Ferdinands Mutter starb kurz nach seiner Geburt, sein Vater um 1780, da war Ferdinand knapp 15 Jahre alt.

Der vorbildliche Gymnasiast durfte auf Kosten der Kirche Theologie studieren. Hieronymus von Colloredo (1732 – 1812), seit 1772 Salzburger Erzbischof, brauchte für seinen aufgeklärten Katholizismus junge, nicht an alten Bräuchen hängende Priester und ließ diese am Seminar durch ihm genehme Professoren ausbilden. Es war eine Zeit des Umbruchs. Auf der einen Seite steckte die Kirche noch tief im Mittelalter, hielt Hexerei für beweisbar und wendete in Gerichtsprozessen Folter an, auf der anderen Seite verbot sie alles vermeintlich Heidnische, von der Kerzenweihe zu Lichtmess über alle Prozessionen und Bittgänge bis zur Weihnachtskrippe. Im allgemeinen Durcheinander erstarkten Geheimbünde wie Freimaurer und Illuminaten, die ihre Mitglieder an wichtige Stellen der Verwaltung brachten. Wobei man bedenken muss, dass Staat und Kirche im Fürsterzbistum noch ein und dasselbe waren.

Ferdinand wurde durch einen adeligen Mitstudenten angestiftet, Geheimtreffen der Illuminaten mitzuhören, im Gegenzug verlangte er unbedingte Freundschaft. 1783 bei einem Studentenulk – ein angesehener greiser Kaufmann behauptete Zeuge von Hexenerscheinungen geworden zu sein, bei seiner Vernehmung flog plötzlich eine Ofengabel durch die Luft und landete neben den Verhörenden – geriet Ferdinand in Verdacht, der Täter gewesen zu sein und konnte sich wegen seiner Freundespflicht nicht verteidigen. Er flog aus dem Seminar und wurde „ausgejagt“, das heißt, er verlor sein Bürgerrecht und musste Salzburg verlassen.

Einerseits zutiefst heimatverbunden, anderseits als Illegaler, hielt er sich an ständig wechselnden Orten im Land Salzburg, im angrenzenden Tirol und in Bayern auf. Die politischen Wirren (1789 Revolution in Frankreich, in der Folge napoleonische Kriege, Tirol kommt zu Bayern, 1800 Eroberung Salzburgs durch die französische Armee, wechselnde Fronten, Säkularisation, Auflösung des Erzbistums Salzburg, Besitzungen links der Salzach fallen an Bayern) verschärften seine Lage, meist konnte er nur wenige Monate, oft nur Tage an einem Ort bleiben. Aber durch seine vielfältigen künstlerischen Fähigkeiten fand er überall Freunde, mit seiner geistlichen Vorbildung und seiner guten Handschrift wurde er oft als Pfarrhelfer eingesetzt und wegen seines Rufs als ehrlicher Wander-Student wurde ihm gern Obdach gewährt. 1787 hielt er sich in Meggenthal (und damit erstmals auf Kayer Gebiet) auf, während der Napoleon-Feldzüge galt er für längere Zeit als verschollen – vermutlich zurückgezogen auf einsame Höfe im Raum Zillertal, Gerlos, Oberpinzgau – ab 1805 hinterließ er im Gebiet nördlich von Waging wieder vereinzelt Spuren. 1809 (Kriegserklärung Österreichs an Russland) wurde er Sekretär eines Kaufmanns in Neuötting und übernahm Kurierdienst zwischen Bayern und Österreich, dabei erfuhr er vom drohenden Abriss der Wallfahrtskirche Marienberg und engagierte sich 1811/12 für deren Erhalt. Nach der Völkerschlacht zu Leipzig (1813) endeten die Kriegswirren. Zuvor schon hatte Salzburg die Kontrolle der Grenzen verloren. So bekam Joly bei einem Aufenthalt bei Pfarrer Pichler in Kay auf dessen Fürsprache neue Ausweispapiere und konnte fortan im Gemeindegebiet sesshaft werden. Die letzten Jahre wohnte er in Elsenloh.

Ferdinand Joly hat ein umfangreiches Werk hinterlassen, das freilich nirgends systematisch gesammelt und archiviert wurde. Cesar Bresgen (1913 – 88), Komponist und Musikprofessor in Salzburg, hat nachgewiesene Joly-Werke aus verschiedenen Quellen zusammengetragen und 1984 in „Das Liederbuch des Scholi“ veröffentlicht. Zeitgleich hat er die biografischen Spuren gesammelt und zu einer Erzählung „Der Scholi“ verarbeitet. Auch der Gedenkweg soll an diesen begabten Künstler erinnern, dem zu Lebzeiten die Anerkennung versagt blieb.

Josef Wittmann