Weihnachtskrippen – viel mehr als eine Bastelarbeit

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Orientalische Kastenkrippe aus einem Nachlass. Zum Krippenweg 2020 in Rosenheim mit Figuren und LED Beleuchtung ergänzt.

Der Verein für Krippen und religiöse Volkskunst Inn-Salzach e.V. erhält ein wichtiges Kulturgut

Der „Krippenverein“ ist in Tittmoning wohlbekannt. Schon viermal haben die Krippenbauer in den letzten 12 Jahren ihre außergewöhnlichen Weihnachtskrippen zur Schau gestellt – im Rahmen einer „Kripperlroas“ in den Schaufenstern der Altstadt oder in den Ausstellungsräumen auf der Burg. Die letzte Ausstellung dort, im Winter 2019/20, konnte rd. 5.000 Besucher erreichen.

Der Verein wurde 1989 gegründet, zu einer Zeit, in der das Krippenbasteln schon keine Selbstverständlichkeit mehr war. Heinz Göppelhuber, erster Vorstand des Vereins, erinnert sich daran, dass es einmal selbstverständlich war, dass jede Familie ihre selbstgefertigte Hauskrippe hatte und es zur Vorbereitung des Weihnachtsfests gehörte, dass die Krippe jedes Jahr um ein paar Merkmale erweitert wurde. Es kam dabei nicht auf handwerkliche Vollkommenheit an. Vor allem die Schulkinder waren mit großem Ernst bei der Sache, dem Christkind eine schöne Heimat zu gestalten. Sie hielten mit ihren guten Einfällen und ihrem altersgerechten Gestaltungsvermögen auf einfache Art die Grundidee des Christentums, die Menschwerdung Christi, lebendig.

Die Vereinsmitglieder sind in der Regel deutlich anspruchsvoller bei der Gestaltung der Krippen. Sie holen sich Anregungen von berühmten Beispielen der Krippenbaukunst, die vor allem seit der Barock-Zeit entstanden sind. Zu den Angeboten des Vereins gehören Busreisen zu den Orten, an denen es künstlerisch anspruchsvolle Weihnachtskrippen gibt. Ein prominentes Beispiel dafür ist übrigens die Barock-Krippe der Tittmoninger Stiftskirche. Aber bedeutende Weihnachtskrippen findet man an vielen Orten. In manchen Klöstern gibt es sehenswerte Krippen aus verschiedenen Epochen, so zum Beispiel in der Abtei Frauenwörth auf der Fraueninsel im Chiemsee. Den fachkundigen Krippenvereins-Mitgliedern werden da Türen geöffnet, durch die nicht jedermann Zutritt hat.

Den Krippenbauern geht es nicht allein um Traditionspflege, Kunstsinn und handwerkliches Geschick. Sie suchen auch neue Stilmittel, Ausdrucksmöglichkeiten ihrer Zeit. Die Gegenwart mit ihrem vorherrschenden materiellen Wohlstand ist in Bezug auf das Bewusstsein der menschlichen Existenz eher arm. Ein Fertig-Kripperl aus Plastik erfüllt den Besitzer nicht annähernd so sehr mit Weihnachtsfreude und Stolz wie eine selbst erfundene und verwirklichte Krippe, in der auch die Zeit, in der wir leben, zum Ausdruck kommt. In den privaten Sammlungen gibt es folglich neben stilechten Traditions-Krippen auch Werke, die den üblichen Erwartungen nicht entsprechen.

Der Krippenverein leidet, wie auch andere um Kultur bemühte Vereine, an Überalterung und Mitgliederschwund. Menschen, die mitten im Leben stehen, fühlen sich häufig überfordert, gestresst, ausgelaugt und haben dann für so scheinbar unwichtige Dinge keine Zeit und kein Interesse. Auch Kinder widmen sich lieber Online-Spielen auf dem Smartphone als einer Bastelarbeit, die Phantasie und ausdauernde Konzentration verlangt. Ein großes Problem ist auch, dass der Verein in Folge des Umbaus seinen Arbeitsraum im Studien-Seminar St. Michael in Traunstein verloren hat. Gemeinsames Arbeiten bei gleichzeitigem Gedankenaustausch über Absichten und Stilmittel ist nicht mehr möglich. Die Krippen werden sozusagen im Home-Office isoliert hergestellt und erst bei einer Ausstellung bietet sich die Möglichkeit, mit Gleichgesinnten anderer Meinung darüber zu reden.

Finanziell geht es dem Verein nicht schlecht. Mitgliedsbeiträge und Kleinspenden reichen für die bescheidenen Ausgaben aus. Eine regelmäßige Öffentlichkeitsarbeit oder gar ein Schulungsangebot ist damit ebenso wenig zu stemmen wie die Anmietung eines Arbeitsraums. Dankbar sind die Krippenbauer der Stadt Tittmoning, die dem Verein im Laufener Tor einen Raum zur Aufbewahrung und Ausstellung seiner Krippensammlung kostenlos überlassen hat. Ein wenig neidisch blickt man nach Österreich, wo die Förderung der Volkskultur einen erheblich höheren Stellenwert hat.

Die Lockdown-Zeit war auch für den Krippenverein schwer zu verkraften. Wenn überhaupt keine Aussicht auf Öffentlichkeit besteht und nicht einmal in weiter Ferne eine fest datierte Ausstellung in Sicht ist, zweifelt man leicht am Sinn der Bemühungen. In Verbindung mit der Ausstellung zur Fastenzeit, die im Frühjahr 2022 in Tittmoning zu sehen sein wird, gibt es wieder eine Kripperlroas. Wie immer tun die Damen und Herren des Vereins alles, um Wiederholungen zu vermeiden. Das Argument „hab ich doch alles schon gesehen“ lassen sie nicht gelten. Jede Ausstellung ist einmalig. Und jede Ausstellung ist es wert, sich eingehend mit den Exponaten zu befassen.

Josef Wittmann