Circus King Schriftzug auf Zirkuswagen Tittmoning

Circus King sagt Danke

Sieben Monate an einem Ort – eine vergleichbare Situation gab es in der 272-jährigen Geschichte des Circus King noch nie. Maximal zwei Monate, wenn der Winter sehr streng war oder einmal drei Monate Zwangspause als sich der Vater des Zirkusdirektors Artur Kaiser die Hand gebrochen hatte. Selbst während der Weltkriege ist der Zirkus irgendwie weitergegangen.

Corona verschaffte der 9. Generation nie gekannte Unsicherheit und Existenzängste. Als Familienoberhaupt versuchte Artur Kaiser stets, seiner Familie Mut zu machen – bis selbst er nicht mehr wusste, wie es weitergehen soll.

Die Familie hatte erst kurz vor Corona ein komplett neues Zirkuszelt mitsamt Tribünen gekauft und somit jegliche Rücklagen aufgebraucht. Die vereinzelten Vorstellungen konnten zwar kleinere Löcher stopfen, aber der abgesagte Weihnachtszirkus in Puchheim kostete trotzdem und die Fixkosten fielen weiter an. Menschen und Tiere müssen ja auch von etwas leben.

Landung geglückt – Überwinterung in Tittmoning

Als sich dann die Frage stellte „Wohin nun?“, vermittelte ein Zirkusfreund schließlich den Kontakt zu Tittmonings 1. Bürgermeister, Andreas Bratzdrum.

Nach dem ersten Telefonat hatte die Familie nur wenig Hoffnung. „Viele Bürgermeister sagen, dass sie wegen eines Platzes schauen. Aber natürlich ist das mit viel Aufwand und Stress verbunden.“ Dann kam der ersehnte Anruf doch und es wurde bestätigt, dass ein passender Platz für den Zirkus gefunden sei. Dazu stellte Herr Röde freundlicherweise noch einen geschotterten Platz für die Wohnwägen zur Verfügung.

Zu Beginn gab es kritische Stimmen aus dem Lager der Tierschützer*Innen. Vor Ort konnten sich aber alle Interessierten davon überzeugen, welch hohen Stellenwert der Tierschutz beim Circus King hat. Auch die Internetpräsenz des Zirkus ermöglichte interessante Einblicke hinter die Kulissen, die anfängliche Kritiker*Innen zu Stammgästen des Streichelzoos werden ließen.

Die Tiere frühstücken immer als erste, denn sie gehören zur Familie. Deshalb werden – anders als in vielen Betrieben – die alten Tiere nicht einfach abgeschoben. Es gibt beispielsweise „Rentnerwägen“ für die Senior*Innen, damit betagte Tiere die Fahrt unverletzt und ohne große Anstrengung überstehen. Traurig verabschiedete sich die Familie kürzlich dennoch von einer Kamelstute. Sie wird nun ihren Lebensabend im Grünen verbringen, wo sie Besuche ihrer Menschen-Familie erhalten darf.

Sieben Monate Tittmoning – In dieser kurzen (beziehungsweise langen) Zeit lernte die Familie die Bürger*Innen und die Stadt kennen und lieben. Wie überleben in einer Zeit ohne Vorstellungen? Wie die Tiere versorgen, wenn der Lebensunterhalt weggebrochen ist? Durch die schnelle und unbürokratische Unterstützung der Stadt Tittmoning, aber auch der Menschen und Bürger*Innen, die zahlreich und großzügig in die vor Supermärkten aufgestellten kleinen Geldkassetten spendeten, gelang es dem Circus King über die Runden zu kommen. Jede – auch noch so kleine – Spende hat dazu beigetragen, zu überleben in Zeiten von Corona.

Familie Kaiser hat Tittmoning ins Herz geschlossen – und Tittmoning den Circus King

Nur durch die großherzige Unterstützung zahlreicher Bürger*Innen, Firmen und Privatpersonen ist es auch der 9. Generation Circus King weiterhin möglich, Jung und Alt Freude zu schenken. Dafür möchte sich die Familie Kaiser herzlich bei allen bedanken. Die Hilfsbereitschaft ohne Scham anzunehmen musste allerdings erst erlernt werden.

Besonderer Dank gilt daher Herrn Georg Mayer von der Firma Siloking, der gerne in allen Bereichen geholfen hat.
Einerseits „weil es ehrliche Leute sind, die einen großartigen Traum haben und diesen auch verwirklichen”, wie Herr Mayer sagt, andererseits weil es wichtig sei, einer zunehmend digitalen Welt – voller virtueller Realität – etwas mit echten, analogen Erlebnissen entgegenzusetzen, etwas, was man anfassen, riechen und mit allen Sinnen erfahren kann und auch mal abtauchen in eine bunte glitzernde Zirkuswelt.

Daher wird der Zirkus zukünftig regelmäßig nach Tittmoning zurückkehren und dort gastieren. Für den nächsten Besuch ist sogar eine Sondervorstellung geplant, um sich bei allen Unterstützer*Innen zu bedanken. Für alle, die sich fragen, wo der Circus jetzt so Knall auf Fall hin verschwunden ist: nur einen Steinwurf entfernt – gleich hinter der österreichischen Grenze gastiert der Circus King jetzt in Ostermiething.

Sobald sich die Situation wieder normalisiert hat, werden auch die traditionellen Benefiz-Vorstellungen des Circus King für Kinder in Not wieder stattfinden. Damit setzt sich die Freundlichkeitskette weiter fort.

Wenn alle zusammenhelfen, können wir eine bessere Welt schaffen!“, so Artur Kaiser.

Leon Buchwald