Spatz am Dach

Spatz am Dach

So richtig gefallen tut s dem Spatz heuer nicht auf dem Stadtplatz. Zum einen liegt das natürlich an der Lufthoheit der Tauben. Die führen sich auf, als ob ihnen nicht bloß die Hausdächer, sondern auch der Himmel ganz allein gehören würde. Ob die einen extra Gott haben, der ihnen anschafft, sich die Welt untertan zu machen? Restlos und ohne Rücksicht auf die anderen Arten? Oder bloß starke Fürsprecher- und Unterstützerinnen, die sie halt durchfüttern, weil sich sonst auch niemand um sie kümmert?

Zum andern merkt er, dass bei den Menschen irgendwas Komisches los ist. Maskiert laufen die ja sonst nur im Fasching rum, zu einer Zeit also, in der der Spatz eh lieber sein zugiges Nest hütet. Aber heuer hört der Fasching überhaupt nicht auf. Obwohl die Leut hinter ihren Masken gar nicht lustig wirken. Früher, erinnert er sich, sind sie beieinander stehen geblieben, haben fröhlich geschnattert und diesen möwenartigen Haha-Laut ausgestoßen, in den alle eingestimmt haben. Da hat der Spatz gewusst, gleich werden sie jetzt im Wirtsgarten sitzen, Kaffee trinken und Hörndl essen, von denen die herrlich süßen Brösel abfallen … ah, Frühling z Tittmoning, echt himmlisch. Papperdeckel! Obwohl die Sonne scheint, haben es die meisten Menschen eilig. Fast als ob sie Angst hätten.

Aber wovor denn? Die Tauben können ihnen doch wurscht sein, als Futter-Konkurrenten sowieso und als Fassadenverschönerer letztlich auch, der nächste Platzregen wäscht den Sch… eh wieder weg. Sie werden doch nicht krank sein? Nein, das kann er ausschließen, der Spatz, krank schauen sie überhaupt nicht aus. Nur halt auf eine seltsame Weise behindert. Er versteht ja so manches nicht, was die Menschen an kollektiven Verhaltensstörungen hervorbringen, vom plötzlichen Gefiederwechsel, den sie Mode nennen, über das gemeinsame Wischen über blinkende und piepende Täfelchen, das sie Kommunikation nennen, bis zum gemeinsamen Biertrinken vor höllisch lauten Geräuschmaschinen, das sie Stadtfest nennen.

Irgendwas wird schon los sein mit ihnen, man muss sie halt nehmen, wie sie sind. Komische Vögel sind sie schon, aber solang sie uns Brösel fallen lassen und die Bäume stehen bleiben und sie die Staunzen mit ihrem Blut fett füttern, so lang kann man s schon aushalten mit ihnen. Lang dauert es meistens eh nicht, bis sie wieder normal werden. Dann sitzen sie friedlich beim Wirt und lassen den Herrgott einen guten Mann sein.

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