BDS Tittmoning, Corona, Gewerbe, Gewerbeverband, Pandemie

Gewerbe leidet unter der Unfähigkeit des Staats

Verfehltes Pandemie-Management, Benachteiligung des örtlichen Gewerbes, Bürokratie …

Der noch im September verbreitete Optimismus der Politiker aller Parteien war bestenfalls dem Wahlkampf geschuldet, aber faktisch unbegründet. Zum dritten Mal haben die Regierenden Betriebsschließungen und Kontaktbeschränkungen verordnet, als einziges Mittel gegen die Ausbreitung des Corona-Virus, obwohl inzwischen ausreichende Mengen guter Impfstoffe verfügbar sind und gegen das nicht mehr überraschende Schwinden der Immunität nach wenigen Monaten die Booster-Impfung angeboten werden kann. Zum dritten Mal wird die Last der Pandemiebekämpfung dem örtlichen Gewerbe, dem Handwerk und den Dienstleistern für Menschen aufgebürdet (während Industrie, Finanzwesen und Verwaltung kaum beeinträchtigt sind). Zum dritten Mal wird die Bevölkerung mit einem Sammelsurium an Vorschriften konfrontiert, das kaum noch jemand in ganzer Breite durchschauen und schon gar nicht verstehen kann.

Der Bund der Selbständigen (BdS) als Dachorganisation der Gewerbeverbände hat seinen Einfluss im Rahmen der Möglichkeiten geltend gemacht. Bei seiner Generalversammlung am 8. und 9. Oktober in Nürnberg, die gerade noch in Präsenz durchgeführt werden konnte, haben Präsidentin Gabriele Seehorz und andere Redner zwar die Fehleinschätzungen und Versäumnisse der Regierungen beim Namen genannt, aber zugleich betont, dass die Basis für konstruktive Gespräche nicht Schaden leiden dürfe. In einer sich zunehmend verschärfenden Notlage komme es auf Einigkeit an. Die Spaltung der Gesellschaft dürfe nicht fortgesetzt werden. Zum Ziel, die Existenz aller sicherzustellen, müssten auch alle beitragen.

Für den Gewerbeverband Tittmoning & Umgebung ist der Aufruf zur Einigkeit die Leitlinie, in die sich die wenigen noch möglichen Aktionen gerne einordnen. Schmerzlich ist dabei aber, dass vor allem Absagen und Verschiebungen die reale Arbeit bestimmen. Gegen die Schließung der Gaststätten, gegen das Verbot von Veranstaltungen, gegen Bestimmungen und Prüfpflichten für alle Gewerbe ist der Gewerbeverband machtlos. Man sieht, dass die Bereitwilligkeit der Bevölkerung, Vorschriften tatsächlich einzuhalten, schwindet. Man sieht, dass die Behörden zwar fleißig neue Vorschriften ersinnen, bei deren Durchführung und Kontrolle aber die Gewerbetreibenden allein lassen und nur mit der Bußgeld-Peitsche drohen. Die dagegen notwendigen Maßnahmen können aber auf örtlicher Ebene nicht ergriffen werden.

Von der Politik mutmaßlich in guter Absicht angekündigte Hilfen werden von der Bürokratie verzögert und verfälscht. Gerade diejenigen, die dringend Hilfe brauchen, müssen am längsten darauf warten. Hinderungsgründe und spitzfindige Auslegungen erschweren es gerade den kleinen Betrieben und Freiberuflern, an die theoretisch bereitgestellten Überbrückungshilfen zu gelangen. Zu der Angst davor, vom überlasteten Gesundheitswesen im Ernstfall zurückgewiesen zu werden, kommt die Angst vor der Überschuldung, die Angst, zu spät erst wieder Umsätze erzielen zu können, die den Bestand des eigenen Gewerbes sichern. Für die Einigkeit, die es braucht, um die Notlage zu überwinden, sind diese Ängste gefährlich.

Josef Wittmann