zukunftsweisende Wohnbauprojekte

Stadtrat besichtigt zukunftsweisende Wohnbauprojekte

Bürgermeister Andreas Bratzdrum, Geschäftsleiter Walter Schöberl und zwölf Stadtratsmitglieder haben sich in München drei zukunftsweisende Wohnbauprojekte angesehen. Ihr Augenmerk galt Organisationsformen wie Baugenossenschaften und -gemeinschaften sowie zukunftsfähigen Konzepten für Seniorenwohnen, Mobilität, Energieversorgung und Bauen mit Holz.

Die Exkursion sollte Erkenntnisse für die Planungen zum neuen Tittmoninger Wohnquartier „Am Alten Bahnhof“ bringen. Besichtigt wurden der Prinz-Eugen-Park, der Domagkpark und der Ackermannbogen, alle drei Wohnprojekte sind auf dem Gelände ehemaliger Kasernen entstanden. Wie beim Tittmoninger Zukunftsprojekt werden dort sogenannte Konversionsflächen genutzt, bereits bebaute Grundstücke, auf denen Wohnungen entstehen, ohne natürliche Landschaft zu verbrauchen. Die Leitung der Tour übernahmen Prof. Hebensperger-Hüther und Sibylle Hüther, deren Architekturbüro H2R Sieger des städtebaulichen Wettbewerbs um das Wohngebiet „Am Alten Bahnhof“ war, sowie Yvonne Hammes vom Büro raum + zeit, dort zuständig für Landschaftsarchitektur und Stadtplanung.

Prof. Hebensperger-Hüther (Mitte, mit Bürgermeister Andreas Bratzdrum) empfing die Delegation im Prinz-Eugen-Park

Die Gruppe besuchte zunächst den Prinz-Eugen-Park, wo seit 2017 eine Siedlung mit etwa 1800 Wohnungen für rund 6000 Menschen entsteht. Gegenstand des Interesses war dort die Seniorenhausgemeinschaft „ALIA – Anders leben im Alter“ des Bauvereins München-Haidhausen. Zwölf Senioren bewohnen hier gemeinsam ein Gebäude mit individuellen Einzelwohnungen, einem gemeinsamen Wohnzimmer, gemeinschaftlichen Aufenthaltsbereichen in offenen Laubengängen und einer Dachterrasse mit Sommerküche, Bibliothek, Blumen- und Gemüsebeeten. Ihre Nachbarschaft ist eine bunte Mischung von Generationen, Nationalitäten und sozialen Schichten. „Dem Prozess des Alterns offen, vorbereitet und gemeinsam entgegenzutreten“ sei vor fünfzehn Jahren ihre Motivation gewesen, berichtete Alfred Bergmiller (72), jetzt sei man glücklich „in einem ungeplanten Mehrgenerationenwohnen gelandet“. Für ihn und seine Freunde habe sich der Umzug aus großen Altbauwohnungen in kleinere, barrierefreie Wohnungen als absoluter Glücksfall erwiesen. Fachkundige Beratung durch die Kommune sei aber unbedingt nötig, damit das Bauen in einer Genossenschaft gelinge. „Wir sind fünf Paare und zwei Einzelpersonen, die sich jahrzehntelang kennen und in der Stadtteilarbeit engagiert haben, das erleichtert vieles“, erklärte Bergmiller.

Ökologische Mustersiedlung und Mobilitätskonzept

Es folgte ein Rundgang durch die ausschließlich in Holzbauweise er#richtete ökologische Mustersiedlung, die nach Angaben der Landeshauptstadt „neue Maßstäbe im Bereich Klimaschutz und nachhaltige Stadtentwicklung setze“. Gebäude vom Flachbau übers Reihenhaus bis hin zu siebengeschossigen Hochhäusern, die unterm Dach auch „Appartements“ für Vögel und Fledermäuse enthalten, und Außenanlagen mit beeindruckenden Wildblumenwiesen, altem Baumbestand und in die Grünanlagen einbezogenen Baumstümpfen waren zu sehen. Der bestens ausgestattete Gemeinschaftsraum „Prinzenkeller“ beeindruckte ebenso wie das im Luftraum über der Tiefgaragen-Abfahrt untergebrachte Kinderkino.

Nach Brezen und Weißwürsten im multifunktionalen Quartierscafé ging es weiter zum Domagkpark, einer ab 2010 entstandenen, 24 ha großen Wohnanlage in Nordschwabing mit rund 4000 Bewohnern. Beim Bau dieses Viertels im stark vom Verkehr belasteten Münchener Norden hatte die Stadt München ein Mobilitätskonzept verlangt. Oberirdische Parkplätze gibt es im Domagkpark nicht. Die Gäste aus Tittmoning ließen sich erklären, welche Maßnahmen hier dazu führten, dass der Umstieg vom Auto auf ÖPNV und Fahrrad glückt. Anwohnerin Maria Knorre demonstrierte an der Mobilitätsstation im Gebäude der mehrfach preisgekrönten genossenschaftlichen Dachorganisation „WOGENO“, wie die erste Münchener Sharing-Station für elektrisch betriebene Fahrräder, Roller und Lastenräder funktioniert. Diese wird übrigens mit Strom aus der eigenen PV-Anlage auf dem Dach betrieben. Die Gruppe besichtigte auch eine der kostengünstig und benutzerfreundlich errichteten Fahrradgaragen. „Wichtig ist der Fahrradservice ums Eck“, wies Frau Knorre auf einen Laden hin und verschwieg nicht, dass die Kosten des Fahrradverleihs sich aus den Benutzergebühren nicht decken lassen: „Da braucht man Zuschüsse oder einen Sponsor“. Für die Wohnanlage mit architektonisch spektakulären Bauten von „wagnisart“ und „WOGENO“ blieb nur ein kurzer Blick.

In luftigen Höhen grünt und blüht es auf dem Dach in Beeten und Gewächshaus

Bäume und Gewächshaus auf dem Dach

Am Ackermannbogen zwischen Schwabing und Olympiagelände wurde bereits vor der Jahrtausendwende damit begonnen, vier Quartiere mit unterschiedlichen Wohnformen zu entwickeln. Christine Leis von der Wohnbaugenossenschaft „wagnis4“ stellte den Besuchern das Objekt vor. Es sei barrierefrei, mit genialer Infrastruktur und in Sachen Nachhaltigkeit, Bodennutzung und Energiekonzept vorbildlich. „Ein Großteil der versiegelten Fläche wurde der Natur zurückgegeben“, erklärte sie stolz, dafür sei es 2017 mit dem Deutschen Landschaftsarchitekturpreis ausgezeichnet worden.

Beeindruckend war, nach einem Blick in den Innenhof mit Obstbaumwiese und Wasserlauf, der Besuch des von Landschaftsarchitekt Rupert Wirzmüller geplanten Dachgartens. Er vereint Gartenfunktion und Energiegewinnung: Mit Blick aufs Olympiagelände wachsen in luftiger Höhe neben gemütlichen „Gartenzimmern“, großem Gewächshaus, Blumen- und Gemüsebeeten und Ölweiden. Daneben ist Platz für eine Solaranlage. Das Ganze sei partizipativ organisiert, erklärte Leis, die Genossen würden schon vor dem Einzug an Entscheidungsprozessen beteiligt und erbrächten Arbeitsstunden für die Pflege der Anlagen.

Zuletzt besichtigten die Gäste noch eine individuelle Eigentumswohnung, den Gemeinschaftsraum und den großen Fahrradkeller in einer großen Wohnanlage, die mehrere Baugemeinschaften unter der Leitung von H2R am Ackermannbogen errichtet hatten. Nach einer Kaffeepause im Café Rigoletto beschloss ein Spaziergang durch einen Abschnitt mit zwei- bis dreigeschossigen Atriumhäusern die Erkundungsfahrt.

Auch wenn die Rahmenbedingungen der Münchner Quartiere bezüglich Größe und Infrastruktur mit denen in Tittmoning nicht vergleichbar sind: Vom gemeinschaftlich genutzten Gäste-Appartement über Fahrradgarage, begrünte Dächer bis hin zu architektonischen Details und Organisationsformen beim Bauen nahm die Tittmoninger Delegation viele Anregungen mit nach Hause. Bürgermeister Bratzdrum zeigte sich auf dem Heimweg zufrieden mit der Exkursion: „Es war für unsere weitere Arbeit sehr gut, dass wir uns gemeinsam vor Ort ein Bild gemacht haben. Die zahlreichen Eindrücke und Anregungen werden wir zwar nicht eins zu eins umsetzen, aber in der Grundidee in unsere weiteren Planungen einfließen lassen.“

Titelbild: Begrünte Höfe, Fassaden und Dächer geben der Natur einen Großteil der versiegelten Fläche zurück („wagnis4“)

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