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Bahnprojekt ABS 38 – was wird aus Wiesmühl?

Für diesen Artikel wurden verschiedene Quellen herangezogen: Zum einen die offizielle Projektbeschreibung im Bundesverkehrswegeplan, die Veröffentlichung der DB zum Genehmigungsverfahren und die Webseite der DB zum Bahnprojekt ABS 38, außerdem Veröffentlichungen des Planungsbüros Vieregg-Rössler GmbH aus München.

Ziel der Maßnahme

Im Vordergrund stehen bei allen Quellen der zweigleisige Ausbau und die Elektrifizierung der Strecke. Unterschiedlich wird der Nutzen des Projekts dargestellt: In der Projektbeschreibung im Bundesverkehrswegeplan steht vor allem die Verlegung des Güterverkehrs aus dem und in das Bayrische Chemiedreieck von der Straße auf die Schiene im Vordergrund. Daneben erhofft man sich eine schnellere Verbindung des Schienenpersonenverkehrs von München nach Salzburg gegenüber der Verbindung über Rosenheim.

Die DB priorisiert hingegen den Schienenpersonenverkehr. Die stark frequentierte Strecke München-Rosenheim soll durch die Verlegung der Ost-West-Verbindungen auf die Mühldorfer Strecke deutlich entlastet werden. Gleichzeitig soll der Münchner Flughafen besser an das Schienennetz angebunden werden. Möglicherweise soll auch ein Teil des Ost-West-Güterverkehrs aus Burghausen nicht über Freilassing, sondern über Mühldorf-Simbach-Braunau geleitet werden.

Das Planungsbüro Vieregg-Rössler ist quasi der Vater der Idee, einen Teil des Bahnverkehrs von der Route München-Rosenheim-Salzburg auf die Trasse München-Mühldorf- Salzburg zu verlegen. Die Argumente des Planungsbüros sind einleuchtend: München-Mühldorf-Salzburg ist weniger bergig, hat kaum Kurven, die Trasse muss so gut wie gar nicht verlegt werden, die Strecke ist nur wenig länger gegenüber der Wegführung unterhalb des Chiemsees über Rosenheim, es gibt weniger naturschutzrechtliche Barrieren.

Die Strecke der ABS 38 liegt auf der Magistrale (das ist eine länderübergreifende Schnellstrecke der Bahn) Paris-Bratislava. In Frankreich sind die TGVs mit über 300 Stundenkilometer unterwegs, in Österreich wird die Strecke Salzburg-Wien gerade auf 250 Stundenkilometer ausgebaut.
Auf der ABS 38 sind zwischen München und Mühldorf Geschwindigkeiten über 200 Stundenkilometer, auf der Strecke Tüßling-Freilassing 160 Stundenkilometer maximal geplant.
Von dieser Planung ist auch die Gestaltung des Lärmschutzes abhängig. So werden auf der Strecke Salzburg/Kasern bis Köstendorf 16 von 21 Streckenkilometern aus Lärmschutzgründen untertunnelt.
Bei geplanten 160 Stundenkilometern genügen rein rechtlich einfachere Lärmschutzmaßnahmen wie Lärmschutzwände oder passiver Lärmschutz, wohingegen bei höheren Geschwindigkeiten auch deutlich mehr in den Lärmschutz investiert werden muss.

Welche Auswirkungen hat die Maßnahme „Bahnprojekt ABS 38“ direkt für Tittmoning?

Belastung des städtischen Haushalts

Bei Brücken, die noch in gutem Zustand sind und an denen durch die Baulastträger (Gemeinde, Landkreis, Staat) keine Änderungen gewünscht werden, werden durch die Bahn die Kosten getragen. Wenn die Brücken baufällig sind (wie in Esbach oder Harmoning) und auf neuesten Stand der Technik gebracht werden, so wird der Baulastträger an den Kosten nach dem Eisenbahnkreuzungsgesetz beteiligt.

Im Gemeindegebiet Tittmoning kommen auf den städtischen Haushalt wahrscheinlich keine neuen Kosten durch den Brückenbau zu.

Ungeklärt ist die Frage, wie die Kostenbeteiligung beim Um- bzw. Rückbau von Brücken mit Privatwegen gehandhabt wird, wie z.B. in Wallmoning und Mühlham.

Veränderungen in Wiesmühl/Bahnhof

Wie oben beschrieben, hängt die Gestaltung des Lärmschutzes von der geplanten Geschwindigkeit auf der Strecke ab. Da die Strecke Tüßling-Freilassing bisher auf maximal 160 Stundenkilometer ausgelegt werden soll, sind bisher keine Tunnel oder Trog-Lösungen geplant. Für die Anwohner in Wiesmühl bedeutet das, dass das Dorf durch eine ca. 4 Meter hohe Lärmschutzwand durchschnitten wird.

Zum jetzigen Schienenverkehr, derzeit circa 36 Nahverkehrszüge und 50 Güterzüge, sollen laut Bundesverkehrswegeplan circa 40 ICE und zusätzliche 16 Güterzüge über die Strecke geführt werden, deshalb der zweigleisige Ausbau. Ob auch der Nahverkehr ausgebaut wird, ist noch offen. Das erhöhte Verkehrsaufkommen wird beim Lärmschutz nicht berücksichtigt.

Das bedeutet für Wiesmühl sehr viel mehr Verkehrsaufkommen, wenig Lärmschutz vor allem für Oberwiesmühl, eine Verschandelung des Ortsbilds und keine Verbesserung im Nahverkehr.

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Vorher – nachher: so oder so ähnlich könnte es nach derzeitigem Stand dann am Bahngleis in Wiesmühl aussehen. Bildmontage: Rolf Dovern

Vorteile für Tittmoning

Durch den Ausbau der ABS 38 rückt der Bahnhof Tittmoning/Wiesmühl näher an die nächste Intercity/Eurocity/Railjet-Verbindung. Diese wäre dann in Mühldorf. Der Straßenverkehr würde von Schwerverkehr entlastet durch die Verlagerung auf die Schiene, zumindest wird das im Bundesverkehrswegeplan prognostiziert.

Nachteile für Tittmoning

Anwohner – vor allem in Lanzing, Salling und Wiesmühl – haben eine dauerhaft höhere Lärmbelastung zu erwarten. Züge werden nach dem Ausbau im 8-10 Minutentakt durchfahren. Ganz Wiesmühl wird, wenn der Lärmschutz so wie jetzt geplant installiert wird, durch eine vier Meter hohe Lärmschutzwand östlich der Bahnlinie geteilt. Für die Anwohner bedeutet das eine erhebliche Sichteinschränkung und eine Entwertung ihrer Grundstücke.

Eine Troglösung – die Bahnlinie würde abgesenkt, daher wäre keine Lärmschutzwand notwendig und das Ortsbild bliebe erhalten – wird bis jetzt von der DB abgelehnt, siehe auch den Bericht der PNP vom Oktober zu einer Diskussion über das Problem im Kreisausschuss.

Was kann man tun?

Da das Projekt im Bereich Tüßling-Freilassing jetzt erst in die Phase der Entwurfsplanung kommt gibt es über die Umweltverträglichkeitsprüfung und die Anhörung aller Beteiligten im Planfeststellungsverfahren nach wie vor die Möglichkeit, eigene Belange in dem Verfahren geltend zu machen.

Man kann dies als Einzelner tun oder sich mit anderen Betroffenen organisieren.

In Kirchanschöring und Fridolfing haben sich die Betroffenen unter dem Titel „Bürgerfreundliches Bahnkonzept“ zusammengeschlossen, um ihre Interessen gegenüber der Bahn und den zuständigen Institutionen zu vertreten, auch in Laufen formiert sich eine Gruppe, die Änderungen in der Planung erreichen will.

Die Deutsche Bahn hat eine eigene Webseite zu dem Projekt erstellt und in Mühldorf einen Infostand eingerichtet, bei dem man sich nach Terminvereinbarung im persönlichen Gespräch über das Projekt informieren kann. Auf der Webseite findet man in der Mediathek die Protokolle der Sitzungen des Projektbeirats. Hier gibt es die aktuellsten Informationen und außerdem die Übersicht, wer in dem Projektbeirat als möglicher Ansprechpartner sitzt.

In Tittmoning wurde eine Bürgerinitiative gegen die jetzige Planung der DB durch Rolf Dovern initiiert. Sie hat bereits zahlreiche Unterstützer gefunden. Auf seiner Webseite findet man umfassende Informationen zu dem Projekt und kann die Forderung nach Änderung der Pläne im Bereich Tittmoning als Unterzeichner mit unterstützen. Man kann seine eigenen Belange aber auch selbst formulieren und beim Eisenbahn-Bundesamt direkt einreichen.

Ute Sesselmann