„Was wir hier machen im Jugendzentrum und in der Mittagsbetreuung, das ist Bildungsarbeit – keine Aufbewahrung, Beschäftigung oder gar Bespaßung. Diese außerschulische Förderung und kulturelle Bildung von Kindern und Jugendlichen ist wichtig, deshalb gibt es dafür staatliche Fördergelder.“ Sabine Heuberger ist selbstbewusst und kämpferisch, wenn sie sich und die Arbeit ihres Teams positioniert. Mit „Betreuung“, wie es im Namen heißt, ist die Tätigkeit der „Mittagsbetreuung“ im Haus für Kinder nur äußerst unzureichend beschrieben.
Das Halbjahresprojekt LebensART und HeimatKLANG, das sie in Zusammenarbeit mit TINN e.V. und dem Jugendtreff jetzt von April bis September in Tittmoning durchführt und für das sie stark auf Unterstützung aus dem Programm „Kultur macht stark. Bündnisse für Bildung“ des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) hofft, zeigt die Vielfalt dieser außerschulischen Bildungsarbeit.
Die Fragestellung:
Was bedeutet jungen Menschen Heimat? Denen aus alteingesessenen Familien und denen, deren Wurzeln anderswo liegen und die aus unterschiedlichen Gründen jetzt hier leben? Die hier aufwachsen, vielleicht sogar hier geboren sind, für deren Eltern aber das Wort „Heimat“ ein Anderswo bezeichnet? Die da, wo sie herkommen, ganz anders gelebt haben. Was bringen sie mit? Was geben sie ihren Kindern weiter? Was macht unsere Kultur eigentlich aus, im Alltag und in der Kunst? Was von der Welt, aus der wir stammen, die uns umgibt, ist einzigartig, liebenswert, unersetzlich? Wie drückt sich Heimatverbundenheit aus in Bild, Sprache, Klang – und kulinarisch?
Die Idee:
Wer da bleiben darf, wo er zu Hause ist, nimmt das Glück, das „Heimat“ heißt, oft gar nicht bewusst wahr. Das Halbjahresprojekt 2022 ermutigt Tittmoninger Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft, die Begriffe „Heimat“, „Glück“ und „Lebenskunst“ spielerisch zu erkunden und sich darüber auszutauschen – mit Gleichaltrigen, aber auch mit Vertreter*innen anderer Generationen. Es bringt sie zusammen mit Menschen aller Altersgruppen und verschiedener Herkunft, um diese Fragen gemeinsam zu erforschen. Und es bietet ihnen Raum und Hilfestellungen dafür, den Ergebnissen dieser Recherche Ausdruck zu verleihen.
Ausgangspunkt war die Idee zur Ausstellung „alte Heimat – neue Heimat“ (s. Artikel „Ausstellungen“). Die Fotografien des 24jährigen Shamim aus Afghanistan sollten ein Nachdenken über Heimat, Glück und Lebenskunst bei Kindern und Jugendlichen vor Ort anregen. Um Shamims Blick mit den verschiedensten Perspektiven hier lebender Kinder in einen Dialog zum Thema „Heimat“ treten zu lassen, wurden seit März eine ganze Reihe von Projekten und Workshops initiiert: Bei Workshops mit dem Künstlerpaar Eileen O‘Rourke und Radu Sabatta entstanden unter dem Motto „LebensWEG“ Collagen zum Thema Heimat, Lebensgefühl, Kultur und im Workshop „Kulinarische Heimat“ künstlerisch aufwändig gestaltete Kochbücher. Bei Projekttagen mit Q3, dem „Quartier für Medien.Bildung.Abenteuer“ aus Traunstein, konnten Kinder eigene Trickfilme zum Thema „Heimat“ drehen. Als Kinderreporter unterwegs, werden sie in Tittmoning ansässige Familien unterschiedlicher Herkunft besuchen und deren Lebensportraits in Bild und Text erstellen. Die Ergebnisse der Workshops – Kochbücher, Lebensportraits, Collagen, Trickfilme – werden die Fotoausstellung ergänzen. Zur Vernissage und anderen Abendveranstaltungen bereiten die Kinder internationales Fingerfood. Und schließlich kommt Shamim am 6. Mai ins JUZ zum „Chill & Talk“ mit Jugendlichen, mit denen er anschließend die Ausstellung besucht.
Das Projekt soll dazu anregen, das eigene Wohnumfeld zu erkunden, aber auch zu gestalten: So wird Ende April der öffentliche „Spiel-Raum“ beim Schulhof/Haus für Kinder mit einer Weidenkugel verschönert.
Im Sommer geht es weiter mit dem Erforschen der eigenen Heimat: Da werden Tittmoning und seine Geschichte mit Digitalkameras und Gruppenaufgaben oder bei einer QR-Code-Rallye erforscht, das Rathaus mit seinen Abteilungen erkundet, in Planspiel und Kinderstadtratssitzung Interessenvertretung probiert. Auch das alljährliche Sommerprojekt „Wir bauen ein Dorf“ wird in diesem Jahr im Zeichen des Projekts LebensART und HeimatKLANG stehen: als hybrides Format mit Mitmachprogramm daheim über ein eigenes Radio- und Fernsehstudio, in dem der kreative Umgang mit den digitalen Medien geübt wird. So können Kinder und Eltern mit dabei sein, auch wenn sie nicht vor Ort teilnehmen können, so werden auch Kinder erreicht, die sich (noch) nicht trauen mitzumachen.
Begleitend zu den Aktionen für und mit Kindern und Jugendlichen ist ein kulturelles Veranstaltungsprogramm auch für andere Altersgruppen geplant, das Lebens-ART sucht und findet: in Begegnungen und Austausch, in Geschichten und Bildern, in Musik und Tanz, veranstaltet vom Kulturbüro der Stadt Tittmoning. Aktuelle Informationen und Termine werden zeitnah auf der Website der Stadt und in der Tagespresse veröffentlicht – und natürlich hier auf SchauRein!-online.
Dr. Gerda Poschmann-Reichenau