Kunst in der Stadt Tittmoning

Frühlingserwachen: Kunst in der Stadt

Tittmoning ist Kunst-Stadt. Die Tittmoninger Burg mit ihren stilvollen Ausstellungsräumen in Fürsten- und Prälatenstock hat sich als Ort für Ausstellungen zeitgenössischer Kunst etabliert, dessen Anziehungskraft auch über Tittmoning hinaus wirkt. Dann kam Corona. Nach einem Jahr 2020 in Schockstarre ganz ohne die geplanten eigenen Ausstellungen, in dem man aber immerhin der Jahresausstellung des Kunstvereins Traunstein ein Dach bot, und einem Freilicht-Kunst-Jahr 2021 läuft in der Burg der Ausstellungsbetrieb wieder an. Doch auch „unten“ am Stadtplatz und „ganz unten“ in der Salzachau gibt es sehenswerte Ausstellungen zu entdecken. Kleine Galerien haben Corona zum Teil „übertaucht“ und starten jetzt neu, andere haben trotz aller Einschränkungen auch während der Pandemie Künstler*innen die Gelegenheit gegeben, ihr Werk zu zeigen, manche warten immer noch ab, bis die letzten Einschränkungen fallen.

Galerie Knapp bei Kasse

Im ersten Stock des Rathauses Tittmoning hingen seit Ostern 2020 Fotografien der in Wiesmühl lebenden Künstlerin Agelinde Scholl in der Galerie „Knapp bei Kasse“, als wegen Corona der Zugang zu den Räumen der Stadtverwaltung weitgehend gesperrt wurde.  Da das Rathaus den Publikumsverkehr monatelang auf das Notwendigste beschränkte, blieben ihre Werke und anschließend auch die Gemälde und Fotografien des Künstlerpaars Sa-Bine Fein und Andreas Feigl aus Kay dort länger ausgestellt als sonst üblich. Mit Luise Wittmanns Bildern fand man dann ab Juni 2021 zum gewohnten Rhythmus zurück: Sie wurde abgelöst von der Ausstellung „Querbeet“ der Wahl-Tittmoningerin Margarethe B. Götz, und jetzt hat Inge Kurtz aus Törring unter dem Titel „The Future Is Present!“ die Räume vor der städtischen Kasse und Kämmerei übernommen.

Inge Kurtz: The Future Is Present!

Inge Kurtz: The Future Is Present!

Inge Kurtz: Paperdolls oder just what makes today’s home so different, so appealing, Acryl auf LW, 2021

In ihrem Werk vereint die gebürtige Oberösterreicherin Elemente der Montage- und Collage-Technik sowie von Graffiti und Comic. Fasziniert von der heutigen Vielfalt der Gestaltungsmöglichkeiten und ohne Scheu vor digitaler Technik arbeitet sie mit Leinwand und Computer, Palette und Kamera. Ihre sogenannten Pixelpaintings präsentieren somit eine Synthese aus Fotografien und Malerei in digitaler Bearbeitung.  „Mich interessieren Geschichten“, bekennt die Künstlerin – ob wahr oder fiktiv, ernst oder komisch oder auch alles zugleich. Die nach vielen Jahren in München und Frankfurt seit 2005 in Tittmoning lebende Künstlerin ist Mitglied der GEDOK München und der Künstlergruppe DIE BURG in Burghausen. In Tittmoning hat sie sich an allen drei „Kunstplätzen“ beteiligt und außerdem die Bühne für verschiedene Produktionen von Josef Irgmaier und Josef Wittmann zu den Chiemgauer Kulturtagen gestaltet. Einzelausstellungen konnte sie bisher in Starnberg, Simbach, Golling und Burghausen zeigen.

Alte Waage: Eigen-ART…

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Das Plakatmotiv zur Ausstellung EigenART stammt von Karl Widmann

Auch in der „Alten Waage“ im Erdgeschoss des Rathauses wurde in den letzten beiden Jahren Corona-bedingt weniger Kunst präsentiert als sonst. Das soll sich nun wieder ändern: Seit März zeigt hier noch bis 24. April die Kunstgruppe „Domus Mea“ Eigen-Art: Vielfältige Werke, die aktuelle und ehemalige Bewohnerinnen und Bewohner des Pflege- und Therapiezentrums Tittmoning während der Kunsttherapie mit der Heilpädagogin und Kunsttherapeutin Sabine Obermaier geschaffen haben, wir berichteten.

Wie die psychisch kranken oder suchtmittelgefährdeten Menschen, die im Therapiezentrum Tittmoning wohnen „zurück ins Leben“ finden können, haben wir in den letzten Ausgaben der SchauRein! geschildert. Kunst- und Musiktherapie helfen ihnen dabei. In einem geschützten Rahmen, wo gegenseitige Akzeptanz und Rücksichtnahme gelebt werden, können sie in den Ateliers der Einrichtungen am Lindenweg 6 und in der Gabelsberger Straße fünfmal pro Woche (Musik: zweimal pro Woche) zur Ruhe kommen und „sich selbst und eigene verborgene Fähigkeiten entdecken“, erklärt Obermaier. Sie ist überzeugt: Kunsttherapie trägt dazu bei, die Seele zu heilen.

Die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Tourist-Info im Rathaus zu sehen sowie freitags von 14-18 Uhr, außerdem am 3.4. und 23./24.4. von 12-16 Uhr.

… und Stein:Kunst

Skulptur in der Alten Waage

Anschließend bietet die „Alte Waage“ den Rahmen für die Skulpturenschau „Stein:Kunst“ von Erwin Winterleitner. Der gelernte Bergmann („Hauer“) aus Ostermiething, der auf dem zweiten Bildungswerk zum Steinmetz und Restaurator wurde und heute in Sankt Radegund lebt, ist als Bildhauer Autodidakt und betätigt sich in seiner Freizeit künstlerisch. Als Arbeitsstätte steht ihm dafür das Farbwerk St. Radegund zur Verfügung, wo er gerne mit verschiedenen Materialien experimentiert, um sie miteinander zu kombinieren. Seine meist menschlichen Figuren, die er aus Marmor, Sand- oder Blaustein haut oder in Bronze gießt, beziehen ihre Kraft aus Reduktion. Ausgestellt hat er bislang unter anderem in der Kollegienkirche Salzburg und in der Rathausgalerie Burghausen. Die Vernissage in Tittmoning ist für Freitag, den 20. Mai geplant, die Ausstellung ist zu den Öffnungszeiten der Tourist-Info im Rathaus geöffnet.

LaGaArt

Kunst von LaGaArt

Die Ladengalerie LaGaArt hatte über die beiden Corona-Jahre hinweg selten geöffnet, doch die Schaufenster wurden durchgehend „bespielt“. Mehr oder weniger der Pandemie geschuldet, sind sie zum Ersatz für die Innenräume geworden und werden stets so kreativ gestaltet, dass die Leute neugierig sein können und Spaß am Hinschauen haben. In der Weihnachtszeit waren es kleine bayrische Holzpuppen, davor Objekte aus der „schwarzen Serie“, zu Redaktionsschluss arbeitet Susanne von Siemens an einem extrem aufwändigen Gewand, das demnächst ins Fenster gestellt wird. Was von der Straße aus nicht zu sehen ist: Im hinteren Teil der Räumlichkeiten hat Silvia Menzel ihr Atelier. Auch und gerade während der Pandemiezeit entstanden hier vor allem Holzdrucke, die sie im letzten Jahr bei Einzelausstellungen zeigen konnte: „der rote Faden“ im Mai/Juni beim Kunstverein Murnau „ros(t)ige Zeiten“ im Oktober/November im Liebenweinturm Burghausen. Die nächste Einzelausstellung „an der Quelle“ ist wieder in Tittmoning geplant: im Fürstenstock der Burg ab August 2022.

Geiselbrechtinger: „Alte Heimat – neue Heimat“

EigenART & HeimatKLANG

Beeindruckende Fotos hat der junge Shamim gemacht.

Für die Präsentation von Kunst genutzt hat den Leerstand im „Geiselbrechtinger“ am Stadtplatz 41 (ehemals Schlecker-Markt) zuerst der Kunstplatz 2016. Im vergangenen Juli fand die Dokumentation „Kleinstadtreparatur“ der beiden frischgebackenen Architektinnen Sophia-Maria Elender und Lavinia Wagner hier einen angemessenen Rahmen, dann nutzte Pete Kilkenny die Räumlichkeiten während des Winters 2021/22 als Atelier und Studio für seine Vision MoMALemon. Mit freundlicher Genehmigung des Eigentümers bleiben die leerstehenden Ladenräume mit Abriss-Flair vorerst weiterhin für Ausstellungen erhalten. Ab 24. April beherbergt das ehemalige Gasthaus die Fotoausstellung „alte Heimat – neue Heimat“ zum Projekt LebensART und HeimatKLANG, das der TINN e.V. in Kooperation mit Haus für Kinder und JUZ im Rahmen der Kampagne „Kultur macht stark“ mit Kindern und Jugendlichen aus Tittmoning durchführt. Flucht und Ankommen, alte Heimat und neuer Lebensraum: Die Bilder des jungen Shamim Niyazi aus Afghanistan, der seit einem Jahr in Tittmoning lebt, sind Anstoß für junge Menschen aus Tittmoning, Begriffe wie Heimat, Kultur und Glück dokumentarisch und künstlerisch zu reflektieren, und Ausgangspunkt für zahlreiche Workshops und Projekte rund um diese Themen. Die Ausstellung, die neben Shamims Fotos auch Collagen, Trickfilme und Kochbücher zeigen soll, die bei dem Projekt entstehen, ist bis 29. Mai immer freitags von 16 bis 19 Uhr sowie samstags und sonntags von 11 bis 14 und von 16 bis 19 Uhr geöffnet. Die Eröffnung findet am 23. April um 16 Uhr statt.

Kunst im Zollhäusl: erst ab Juli

Kunst im Zollhäusl

Luise Wittmanns Galerie „Kunst im Zollhäusl“ unmittelbar an der Salzachbrücke hat vor zwei Jahren zu- und seither nicht wieder aufgesperrt. Noch immer hängen und stehen dort die Bilder der Ausstellung „Visualisierte Geopoesie“ von Anatoli Tschaikowski, die am 29. März 2020 eröffnen sollte. Selbst in sommerlich-gelockerten Pandemiezeiten war es Luise Wittmann zu riskant, ihre Miniatur-Galerie mit insgesamt nur rund 50 m² Ausstellungsfläche auf zwei Stockwerken zu öffnen – und ist es bis heute: „Bei einem Mindestabstand von 1,50 m hätten da gerade mal drei Besucher Platz.“ Jetzt hofft die Künstlerin auf eine Ausstellungs-Eröffnung im Juli mit mehr als zwei Jahren Verzögerung.

Der in Tengling lebende Anatoli Tschaikowski, geboren 1947 in Cham (Oberpfalz), studierte in München, lebt seit 1974 als freischaffender Maler und Grafiker und hat bereits international ausgestellt. Die Schau im Zollhäusl gewährt einen Einblick in sein vielfältiges Lebenswerk, das Anregungen von Surrealismus über Symbolismus bis hin zum Informel aufnimmt und eigenständig zu „Geo-Poesie“ verarbeitet, wie er selbst sein Werk bezeichnet.

Dr. Gerda Poschmann-Reichenau