Kirchanschöring: Erste Gemeinwohl-Gemeinde Deutschlands

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Das Haus der Begegnung, soziale Einrichtungen im Ortskern – ein Ergebnis des Gemeinwohl-Gedankens in Kirchanschöring.

Bürgermeister Hans-Jörg Birner findet, „das war gar nicht so schwer“

„Ich habe viel von meinem Vor-Vorgänger gelernt“, sagt Hans-Jörg Birner auf die Frage, wie es denn gekommen sei, dass gerade die Gemeinde Kirchanschöring Vorreiter in Sachen Gemeinwohl geworden sei. Hans Straßer habe einen offenen Dialog mit den Gemeindebürgern gepflegt und auf diese Weise sehr früh begonnen, bei der Entwicklung der Gemeinde auf Nachhaltigkeit zu setzen. Am Beispiel Mehrzweckhalle könne man das gut sehen. Die wurde 1989 nur aus Holz und Schilf gebaut und hat heute noch vorbildliche Raumluft-Werte, ohne jede Lüftungstechnik. Das „Bürgerforum Dorferneuerung“ war die treibende Kraft, der damalige Gemeinderat war anfangs eher noch skeptisch.

Der Erfolg einer Gemeinde wird traditionell danach beurteilt, wie viele Kubikmeter Beton verbaut, wie viele Kilometer Straßen geschaffen und wie viele Millionen Euro auf dem Rücklagen-Konto angesammelt wurden. Aus diesem Denken muss man erst einmal herauskommen. Wenn die Bürger an eine offene Zusammenarbeit gewöhnt sind und ihre Vorstellungen gehört werden, entstehen genau die Werte, um es in der Gemeinwohl-Bilanz geht. Und daraus entwickelt sich ein Leitbild. „Erst als wir es formulieren mussten, haben wir gemerkt, dass wir es eigentlich schon gehabt haben. Aber wir haben trotzdem noch viel dazugelernt“, sagt Bürgermeister Birner.

Begonnen habe es damit, dass der damalige Geschäftsleiter Peter Schuster in der Salzachhalle in Laufen einen Vortrag von Christian Felber gehört habe. So eine Gemeinwohl-Bilanz wäre doch das richtige Mittel, zu zeigen was die Gemeinde alles für ihre Menschen tut, war seine Meinung. Man habe dann bei einem Kommunal-Workshop für Gemeinwohl-Ökonomie mitgemacht und probehalber die Kurzbilanz erarbeitet. Der finanzielle Aufwand war überschaubar, die meisten Kosten waren vom Haushaltsposten für Schulung der Mitarbeiter gedeckt. Die Verwaltungsmitarbeiter haben nach einem Einführungsworkshop gerne mitgewirkt. Ihr immer schon weit über die Stellenbeschreibung hinausgehender Einsatz wurde endlich sichtbar und gewürdigt. Für was das gut sein soll, war keine Frage: es hat sich gezeigt.

Bis zur Zertifizierung war der Weg dann etwas mühsamer. Die Matrix, nach der ökologische, soziale und ethische Aspekte bewertet werden, war noch unerprobt. „Recht verkopft war s, da hat man öfter fragen müssen, was damit gemeint ist“, erinnert sich der Bürgermeister. Aber es hat sich gelohnt. Man erkennt den Verbesserungsbedarf. Aus dem Gefühl heraus entstandene Lösungen lassen sich, wenn man sie im Zusammenhang betrachtet, zu guten Lösungen entwickeln. Und der Effekt auf die Motivation der Menschen, sowohl die in der Verwaltung arbeitenden als auch die in der Gemeinde lebenden, ist beachtlich.

Natürlich erntet Kirchanschöring als GWÖ-Musterschüler jetzt viel Aufmerksamkeit. Als Bürgermeister erhalte er Einladungen von vielen Gremien, Vorträge zu halten, sagt Birner, was er nach Möglichkeit auch gerne annehme. Sein Thema fasst er ein Wenig weiter: „Kommunen und Region – Verantwortung für eine nachhaltige und resiliente Entwicklung“. Vor allem sei ihm aber wichtig, dass auch die neuen Gemeinderäte das Leitbild verstehen und es da, wo es was zu verbessern gibt, weiter entwickeln. Jetzt, drei Jahre nach der ersten Gemeinwohl-Bilanz, stehe die nächste an. „Da werden wir sehen, wie gut wir sind.“

Josef Wittmann

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