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Spatz am Dach

Kalt ist s. Neblig. Duster. Fad. Nix los. Verschlafen schaut der Spatz aus dem Nest. Ja, sakkra, wo sind s denn alle? Um die Jahreszeit müsste es doch nach Punsch und Platzerl riechen, müssten Sultaninen aus den Weihnachtsstollen bröckeln, müssten die Kinder mit den Nikolaustüten aus dem Kindergarten kommen, mit ihren elektronischen Zwitschergeräten müssten sie altbekannte Winterschnulzen herunterorgeln, die Stadtmusik müsste mit klingendem Spiel durch die Gassen ziehen, Barbaramarkt hätte sein müssen, war aber nicht, Taschen voll Schweizerkracher und Feuerwerksraketen sollten sie schleppen, damit sie mit Getöse (das der Spatz eigentlich nicht leiden kann) das neue Jahr begrüßen, aber sie begrüßen es nicht. Sind s überhaupt noch da, die Tittmoninger?

Er hat ja keine Ahnung, was der Kollaps des Gesundheitswesens in den Menschen bewirkt. Viele Jahrzehnte haben sie sich zwar um irgendwo lauernde Bedrohungen Gedanken gemacht (Atomwaffenlager, Müllverbrennung, Kernkraftwerke, Klimawandel), aber dass ihnen etwas hautnah nach dem Leben trachtet, damit haben sie keine Erfahrung. In ihrer ganzen Lebenszeit ist es ihnen relativ gut gegangen, alles ist immer größer geworden, die Wohnungen, die Autos, die Supermärkte, die Sehnsucht nach Traumurlaub in der Ferne. Auch die körperlichen und seelischen Beschwerden sind größer geworden, aber wo die Not ist, wächst das Rettende auch: Ärzte und Heilpraktiker haben sich ihrer angenommen, die Leiden geheilt und die Wehwehchen gelindert. Alles so selbstverständlich wie Semmeln kaufen und online Flüge buchen.

Dann kommt ein Virus (das ist so ein winziges Ding, das man nicht sieht) und an dem sterben Menschen. In China, na ja. In Italien, in Amerika, in Indien, ja mei. Bei uns auch, aber wenige. Es gibt eine Impfung, gut, aber was soll die bringen, wenn rundum niemand krank ist? Es gibt Experten, die immer nervöser werden, aber was ist schon ein Experte (auch der Wetterbericht stimmt nicht immer). Dann werden auch daheim rasant mehr Leute krank. Jetzt pressiert s aber. Aber jetzt sind überall Warteschlangen. Die Kliniken voll. Die Ärzte überlastet. Jetzt kommt die Angst. Angst macht starr.

Der Spatz weiß davon nichts. Er steckt den Schnabel wieder ins Gefieder und ist froh, dass er es warm hat. Schläft noch ein Bisserl: eh nix los. So furchtbar wichtig sind ihm die Menschen auch wieder nicht. Irgendwann kommen s schon wieder heraus.