Felix-Optik, Felix Gürtner

Felix-Optik: so lang mich die Arbeit freut…

Warum der erfahrene Handwerksmeister nicht an Ruhestand denkt

Ganz am Anfang steht eine Geschichte. Felix Gürtners Großvater war Hobby-Maler und hat sich als Erholung von der Bergwerksarbeit seine Umgebung in Penzberg schön gemalt: die Berge, die Almen, die Bäume und Blumen. Mit der Zeit haben Opas Augen immer mehr nachgelassen, irgendwann hat er beim Skizzieren nur noch ungeordnete Striche gemacht. Der Bub, immer ein treuer Bewunderer seiner Kunst, hat gefragt, was denn das werden soll. Da hat der Opa den Bleistift weg gelegt und ist hinaus gegangen. Er ist länger nicht wieder gekommen. Da hat ihn der Bub gesucht. Der alte Mann ist hinterm Haus gestanden und hat geweint.

Dieser Vorfall ist bei ihm hängen geblieben, und wie es Zeit war, sich einen Beruf und eine Zukunft vorzustellen, hat er eine Optikerlehre angetreten und bis zum Ende des Studiums durchgezogen. Nicht, weil man damit schnell reich wird, sondern weil er Leuten bei Problemen mit den Augen wirklich helfen können wollte. Dieser Ansatz ist ihm erhalten geblieben. Er mag seinen Beruf. Er mag die Präzision. Er mag das Messbare. Vor allem aber mag er die Leute, die zu ihm kommen. Er will mit seinem Handwerk bewirken, dass sie immer gut sehen können. Und nebenbei auch gut aussehen. Ideal ist es, wenn sie an ihre Sehhilfe gar nicht mehr denken, weil sie zu ihnen gehört wie ein Körperteil.

Deswegen nimmt er sich Zeit für seine Kunden. Und schaut nicht genervt zum Plafond, wenn ein scheinbar unlösbares Problem auftritt: der Befund vom Augenarzt wurde berücksichtigt und die Brille ist neu. Trotzdem kriegt der Kunde Kopfweh, wenn er die Brille trägt. In so einem Fall hilft ihm die Erfahrung, da stellt er gezielte Fragen: wie der Kunde sein Leben führt und bei welchen Tätigkeiten die Probleme am lästigsten sind. Die Brille muss sich nach dem Leben richten und nicht das Leben nach der Brille, ist sein Credo.

Wenn dann gerade ein eiliger Kunde (oder eine eilige Kundin, Geschlechtergerechtigkeit muss sein) mit den Fingern auf die Theke trommelt, weil er/sie nicht sofort bedient wird, kann das dazu führen, dass ihm erst recht der Hilfesuchende wichtiger ist und er erst noch fertig abklärt, was dessen Schwierigkeiten verursacht. Das bringt ihm manch wütende Kommentare und Ein-Stern-Bewertungen im Internet ein: „muffig“, „überheblich“, „frech!“. Aber auf der anderen Seite extrem gute Beurteilungen. So scheidet sich die Spreu vom Weizen: ihm bleiben die Kundinnen und Kunden, die sein Können schätzen und seine Bereitschaft anerkennen, dass er ihnen im Notfall hilft. Etwa wenn ein Bügel bricht akkurat am Tag des Antritts einer Urlaubsreise. Mit einem stabilen Provisorium ist der Kundin erst einmal geholfen, auch wenn das Design nicht völlig befriedigt. Nach dem Urlaub wird es durch eine dauerhafte Lösung ersetzt, aber der Urlaub ist erst einmal gerettet.

Ist so eine Einstellung noch zeitgemäß? Vergrault er damit nicht die guten Kundinnen, diejenigen, die Umsatz bringen? Das Lächeln, das er auf diese Frage hin aufsetzt, kommt aus den Tiefen der Seele.

„Ich habe Kunden, die von Montag bis Samstag in ihrer eigenen Berufstätigkeit eingespannt sind. Um die kümmere ich mich halt dann am Sonntag. Wenn einer nicht gehen kann, mache ich einen Hausbesuch. Dafür habe ich am Montag Ruhetag, weil ich da von der Vorwoche liegen gebliebene Arbeit erledigen muss. Ich muss mir keine Umsatzziele mehr setzen und ich muss mich auch nicht verbiegen, um sie einzuhalten. Ich vergebe Termine nicht per Internet im Halbstundentakt. Ich bin weder von Lieferanten abhängig noch von Vorgaben der Bank. Ich kann so arbeiten, wie es für die Kundinnen und Kunden am besten ist. Es kommt vor, dass Leute, die über Jahre gekommen sind, ausbleiben. Sie müssen ja nicht begründen, warum sie wo anders besser bedient werden. Manchmal erfahre ich, was der Grund war. Es geht so gut wie nie um fachliche Probleme, eher um spontane Reaktionen wie: „Der ist ja nie da“. Ich verstehe das. Aber mit 65 Lenzen am Buckel braucht der Mensch auch einmal einen Tag Auszeit. Oder einen sonnigen Nachmittag Ruhe. Zum menschlichen Umgang gehören immer beide Seiten“.

Also: Allem Hörensagen zum Trotz hört Felix Gürtner nicht auf. Seine junge Ehefrau, die ihn auch im Geschäft vielseitig unterstützt, hat noch gut zehn Jahre bis zur Rente. Er wird nicht so lange untätig auf der Terrasse sitzen, wenn er in der Zeit noch Leuten, die auf seine Arbeit vertrauen, helfen kann. Übrigens hat er auch für 2023/24 die goldene Urkunde als anerkannter Sehspezialist bekommen. „Zum Wohl Ihrer Augen“ ist kein Werbespruch, sondern Lebensziel. An dem hält er fest. Aber er wird sich weder verbiegen noch verkleiden, um es allen recht zu machen.

Josef Wittmann