Wolfgang Grubwinkler von der Identität & Image Coaching AG berät die Stadt Tittmoning zum Projekt Altstadt-Management und steht für die SchauRein! Rede und Antwort
Beratung ist nicht die Lösung, aber der Anfang davon
Beim ersten „Bürgerforum“ im vergangenen September wurde unter dem Begriff Altstadt-Management ein Instrument der Stadtentwicklung vorgestellt, das dem auch in anderen Städten befürchteten Aussterben der Altstadt abhelfen könnte. SchauRein! hat mit Wolfgang Grubwinkler gesprochen, der als Experte in dieser Angelegenheit die Stadt berät.
SchauRein!: Herr Grubwinkler, Ihre Firma heißt Identität & Image Coaching AG – das klingt nach Kapitalgesellschaft. Wie dürfen wir uns Ihr Wirken zum Wohl der Stadt Tittmoning vorstellen?
Grubwinkler: Ich habe 1990 mit der freiberuflichen Beratung begonnen. Daraus ist dann die kleine AG entstanden, die unsere Arbeit unabhängig von personellen Unwägbarkeiten langfristig sichert. Die Erfahrung mit der Entwicklung von Kommunen, vorrangig Kleinstädten mit Zentrumsfunktion, ist für unsere Arbeit sehr wichtige Voraussetzung. Wir sind weder Verwaltungs- noch Planungsbüro, wir beraten diejenigen, die über die Entwicklung einer Kommune zu beschließen haben, strategisch – das heißt, wir vermitteln zwischen den betroffenen Bürgern, den politischen Entscheidern und den Fachstellen und Fachplanern. Nur präzise Vorgaben der Politik führen dann zu sinnvoller und finanzierbarer Planung.
SchauRein!: Stadtrat und Verwaltung kennen die Stadt schon lang und ziemlich gut. Was können Sie besser als die Ortsansässigen?
Grubwinkler: Viele Probleme einer Stadt existieren seit Jahrzehnten. Ihnen kann schwer abgeholfen werden, weil sie entweder mit gesellschaftlichen Entwicklungen zusammenhängen, die nicht im Einflussbereich der Kommune liegen – Beispiel Überalterung, Beispiel Online-Handel, Beispiel Mobilität. Oder weil sie von den Einwohnern anders wahrgenommen werden als von den Entscheidern. Wir können als Berater und neutraler Vermittler tiefer einsteigen als im Rahmen einer Bürgerversammlung, in der oft über Anliegen einzelner diskutiert wird und in komplexen oder widersprüchlichen Situationen dann auf das Reden keine Maßnahmen folgen. Wir können mit beteiligten Interessengruppen die Probleme intensiver analysieren und Hilfe zur Selbsthilfe anbieten. Stellen Sie sich die Stadt als Einkaufszentrum vor: dann können wir die Ladenpächter dazu motivieren, dass sie das Zentrum als Ganzes attraktiv machen, damit der einzelne Laden besser zur Geltung kommt. Und wir legen bei Mutmacherprojekten selbst Hand an und setzen um.
SchauRein!: Viele Leute sind mit der Stadt zufrieden, solange sie ungestört hier wohnen, arbeiten, und nach eigenem Gusto ihre Freizeit verbringen können. Wie finden Sie in der schweigenden Mehrheit die Leute, die über ihre Eigeninteressen hinaus wichtige Informationen liefern können?
Grubwinkler: Es gibt dafür keinen Metalldetektor wie bei den Schatzsuchern. Meistens melden sich die Leute erst, wenn sie sich von Vorhaben benachteiligt fühlen. Das „NIMBY-Syndrom“ ist typisch: Not-in-my-Backyard heißt, dass sinnvolle oder sogar mehrheitlich geforderte Anliegen vehement abgelehnt werden, sobald sie die Komfortzone der eigenen Existenz verändern würden. Wir gehen frühzeitig mit unseren Konzepten auf die Betroffenen zu und diskutieren ergebnisoffen die beste Lösung.
SchauRein!: Das klingt schön, aber theoretisch. Können Sie uns Ihr Vorgehen an der Praxis erläutern?
Grubwinkler: Natürlich. Nehmen Sie die Parkraum-Überwachung. Jeder sieht ein, dass sie nötig ist und ärgert sich, wenn er einen Strafzettel kriegt. Jeder sieht ein, dass für Dauerparker außerhalb des Stadtplatzes Raum geschaffen werden muss, aber keiner mag auf den Platz vor der Haustür verzichten. Niemand freut sich über dauerhaft leerstehende Häuser und über geschlossene Geschäfte. Aber wer kauft dann überwiegend lokal ein, kann Häuser bedarfsgerecht sanieren und welche Geschäfte haben noch eine Chance gegen den Online-Handel? Wenn das Ambiente nicht passt, verpufft die Eigeninitiative, Gemeinwohl und Eigeninteresse brauchen eine gemeinsame Basis. Am Beispiel Einkaufszentrum: Ein „Center-Manager“ muss mit den Pächtern eine Strategie erarbeiten, die gegenüber möglichen Störfaktoren Abhilfe schafft.
SchauRein!: Das hört sich nach langfristigen Prozessen an, wenn man am Beispiel Hotel Post sieht, dass in fünfzig Jahren keine Lösung gefunden werden konnte.
Grubwinkler: Strategien sind langfristig, das stimmt. Das müssen sie auch sein, weil sie Schwankungen der Wirtschaftskraft überdauern sollen. Mit einer Strategie im Hintergrund kann man in schlechten Zeiten die einfach realisierbaren Lösungen schneller angehen, ohne die große Linie aus dem Auge zu verlieren. Wir haben am Stadtplatz insgesamt 25 Objekte mit Mindernutzung vorgefunden und gehen nun auf die Eigentümer zu, um die Möglichkeiten einer Verbesserung zu sondieren. Die Resonanz hält sich noch in Grenzen. Lediglich sechs haben bisher Interesse signalisiert. Wir können unsere Unterstützung nur anbieten, sie auch zu nutzen ist die persönliche Entscheidung jedes Einzelnen.
SchauRein!: Was macht Sie denn so sicher, dass Ihre Vorschläge akzeptiert und in erfolgreiche Maßnahmen umgesetzt werden? Haben Sie denn schon etwas erreicht?
Grubwinkler: Aus unserer Erfahrung wissen wir, dass Innenstadtmanagement ein steiniger Weg ist, aber bei Beharrlichkeit auch Erfolge zu erzielen sind. Tittmoning hat Substanz und damit gute Erfolgschancen. Wir haben in den letzten 30 Jahren 170 Kommunen beraten und sie in den anstehenden Projekten unterstützt. Das ist wie Coaching bei einem Sportler: wir begleiten die Kommunen bis zum Ergebnis. Im Bereich der Stadtgemeinde Tittmoning haben wir uns in der Vergangenheit schon bei der Entwicklung der Dorfwirtschaft Asten eingebracht, die Bürgerbeteiligung bei der Ortsgestaltung Kay moderiert und den Wochenmarkt am Stadtplatz initiiert. Mit dem Leerstands-Management in der Altstadt sind wir seit einem Dreivierteljahr betraut und haben mit der Aufnahme der Leerstände, der Erstansprache der Eigentümer und Gesprächen mit wichtigen Multiplikatoren erste Grundlagen geschaffen.