Mit dem Klimawandel wird Hochwasser infolge von Starkregen weltweit häufiger, schwerer und schneller. In Tittmoning sind davon neben der Wasservorstadt und den Gemeindeteilen im Südosten (Hainach, Wies, Roibach, Waldering), die im Überschwemmungsgebiet der Salzach liegen, auch andere Teile der Stadtgemeinde gefährdet: Eschelbach, Still- und Mühlbach, Hörzinger Graben und natürlich Götzinger Ache, Schmer- und Siechenbach sind Gewässer dritter Ordnung, die aus den Hanglagen in Richtung Salzach abfließen und zu Hochwasser führen können.
Mehr als drei Jahre ist es her, dass die Stadt bei einem Hochwasser, das den Stillbach und seine Zuflüsse im Oberlauf an die Kapazitätsgrenzen gebracht und teilweise für Überflutungen gesorgt hatte, beschloss, ein integrales Hochwasser- und Rückhaltekonzept (IHWRK) zum Schutz insbesondere des Gemeindeteils Kirchheim zu erstellen. Dort hatte und hat auch seither wieder Starkregen zu einem bedrohlichen Anschwellen des Bachs geführt, was die örtlichen Feuerwehren sehr forderte. Die Fördermittel für dieses Konzept wurden unverzüglich beim Freistaat Bayern beantragt. 2022 genehmigte das Wasserwirtschaftsamt den vorzeitigen Maßnahmenbeginn. So konnte die Stadt das Ingenieurbüro Aquasoli mit der Untersuchung der Rückhalte- und Versickerungsmöglichkeiten im Quell- und Einzugsgebiet des Stillbachs beauftragen. Es wurden Fließwegekarten für das gesamte Stadtgebiet erstellt und die Überflutungsflächen der Bäche und Gräben im Quell-und Einzugsgebiet des Stillbachs erfasst. Im Februar 2023 begann Aquasoli mit Feldarbeiten zur Vermessung und führte anschließend auf dieser Basis Berechnungen durch, die individuelle Konzepte zum Schutz der jeweiligen Siedlungsbereiche vor hundertjährlichen Hochwassern möglich machen. Bei der Konzeptionierung werden die zu erwartenden Klimaveränderungen mit einem sogenannten Klimazuschlag von 15 % bereits berücksichtigt. Erste Zwischenergebnisse wurden im Dezember 2023 vorgestellt. In der Stadtratssitzung vom 5. November hat Dipl. Ing. Unterreitmeier die Ergebnisse der abgeschlossenen Studie präsentiert. Sie wurden vom Stadtrat diskutiert, das weitere Vorgehen wurde einstimmig beschlossen.
Geprüft wurde die Situation am Lanzinger Mühlbach mit Lanzing, Mühlham und Hausmoning, am Kugelthaler Graben (Wiesmühl), am Eschlbach (Inzing) und am Stillbach in Harmoning, Großmühlthal und Kirchheim, wo auch noch der Hörzinger Graben dazukommt. Für jeden Standort galt es zunächst in Simulationen das voraussichtliche Überschwemmungsgebiet bei einem hundertjährlichen Hochwasser zu erkennen, das Schadenspotential für diesen Fall zu berechnen, ein Maßnahmenkonzept dagegen zu erstellen und dessen mögliche Kosten zu schätzen. Denn wirtschaftlich und förderfähig sind nur Maßnahmen, deren Kosten nicht über dem Schadenspotential liegen.
Es ergaben sich vier theoretisch mögliche Standorte für Rückhaltebecken, die bei Starkregen plötzlich auftretende Wassermengen aufhalten könnten: in Lanzing, in der Ledern, bei Großmühlthal und am Stillbach südlich von Kirchheim, wobei für den Standort Großmühlthal drei unterschiedliche Varianten entwickelt wurden. Das Ingenieursbüro empfiehlt einen Standort in Großmühlthal oder am Stillbach, evtl. auch beides, jeweils in Kombination mit Gewässerausbau in Kirchheim zum innerörtlichen Hochwasserschutz. Zwischen diesen drei Varianten gilt es jetzt zu entscheiden.
Mit dieser Untersuchung liegt nun die planungsrechtliche Voraussetzung für eine Genehmigung von Baumaßnahmen durch das Wasserwirtschaftsamt vor. Die Stadt nutzt die Ergebnisse zur Abstimmung mit dieser und anderen Fachbehörden unter Rücksicht auf alle Vorschriften des Wasser-, Naturschutz- und Fischereirechts. Insbesondere muss die Förder- und Genehmigungsfähigkeit der Varianten geprüft werden. Nach Redaktionsschluss werden Stadt und Planungsbüro Mitte Dezember die Ergebnisse mit Landratsamt und Wasserwirtschaftsamt besprechen und das weitere Vorgehen festlegen. Die Verwaltung klärt parallel die Verfügbarkeit der für die verschiedenen Varianten jeweils benötigten Grundstücke.
Selbst wenn dann die Entscheidung für eine Variante rasch fällt: Für Planung, Genehmigung und Bau eines Hochwasserrückhaltebeckens muss man, Unterreitmeier zufolge, etwa acht bis zehn Jahre ansetzen.
Bei einer Besprechung des Ingenieurs mit Mitarbeitern der Stadtverwaltung und den Feuerwehrkommandanten von Kirchheim und Tittmoning wurden die Untersuchungsergebnisse zur Optimierung ihrer Einsatzpläne vorgestellt. Die Stadt will auch prüfen, ob man das Angebot zur individuellen Hochwasserberatung, das 2020 von den Salzachanrainern gut angenommen wurde, für die Betroffenen im Gebiet des Stillbachs neu auflegen kann. Der Hochwasserschutz im Ortskern von Kirchheim kann etwa mit mobilen Barrieren unmittelbar am Bach für den Objektschutz in Angriff genommen werden, ebenso Mauern und eine Flutmulde im Bereich des Zulaufs. Dafür kann die Stadt die planerischen Voraussetzungen schaffen, während die Umsetzung durch die Eigentümer erfolgt.
Weitere Infos:
www.tittmoning.de/medien/pdf_aktuelles2020/checkliste_hochwasser.pdf
www.tittmoning.de/medien/pdf_aktuelles2021/211111_merkblatt_hochwasserschutz_tittmoning.pdf
Stadt Tittmoning