Auf alten Ansichten des Stadtplatzes aus dem 19. Jahrhundert präsentiert sich der Tittmoniger Stadtplatz als große, weitestgehend leere Fläche. Nur einige Denkmäler und Brunnen ziehen den Blick auf sich. Erst 1885 setzte man einige Kastanienbäume um die Denkmäler herum. Ein um den gesamten Stadtplatz führender Gehsteig entstand um die Jahrhundertwende von 1900. Inspiriert durch diese Baumaßnahme regte der Verschönerungsverein an, entlang des Gehsteigs Rotdornbäume zu pflanzen. Diese Idee wurde 1901/1902 umgesetzt.
Über ein Jahrhundert verschönern diese Rotdornbäume nun schon das Stadtbild. So schön die Bäume im Frühjahr blühen, so bedauerlich ist es, dass sie mittlerweile immer öfter ihr Laub bereits im Spätsommer abwerfen und dann den Rest des Jahres mehr oder weniger kahl dastehen.
In den letzten Jahren wurden bereits alternative Baumarten getestet, die aber nur wenig befriedigende Ergebnisse lieferten. Da wären zum einen die Robinien, die dazu neigen, nach Beschnitt stark auszutreiben und dadurch die Fassaden zu verdecken und die Gehweg-Beleuchtung stark einzuschränken. Zum anderen wurde eine Kugelplatane am östlichen Eckhaus zum Burghauser Tor gepflanzt. Diese ist an sich ein hübscher Baum mit wenig Wuchsdrang, aber er blüht leider nicht und zeigt auch keine besondere Herbstfärbung.
Eine Gruppe aus Verwaltung, Stadträten und Fachleuten hat sich nun Gedanken gemacht, ob es nicht noch weitere Alternativen gibt. Zuerst wurden Kriterien für geeignete Baumarten gesammelt: Die Bäume sollen im Frühjahr blühen, ein eher nicht zu großblättriges Laub haben, nicht allzu viel Pflegeaufwand erfordern, eventuell noch eine schöne Herbstfärbung zeigen und den nicht allzu baumfreundlichen Bedingungen am Stadtplatz trotzen. Die eierlegende Wollmilchsau? Trotz der hohen Anforderungen wurde man, unterstützt durch fachliche Expertise, fündig und engte die Auswahl auf vier in Frage kommende Baumarten ein:
Der Eisenbaum (Parrotia persica ‚Vanessa‘)
Der Eisenbaum ist laubabwerfend, er hat eine pyramidale Krone. Im zeitigen Frühjahr blüht er leuchtend rot und hat eine wunderbare Herbstfärbung von gelb über orange, rot bis ins violett.
Er ist anpassungsfähig, gedeiht auf allen Böden, bevorzugt leicht sauren Untergrund und ist außerdem nicht krankheitsanfällig, wärmeliebend und somit stadtklimafest.
Er wächst langsam und ist gut schnittverträglich.
Der Amberbaum (Liquidambar styraciflua ‚Gumball‘)
Der Amberbaum ist wie der Eisenbaum laubabwerfend. Die Krone hat einen kugelförmigen Wuchs, die Blüte ist eher unscheinbar. Aber er hat eine sehr schöne Herbstfärbung von gelb bis rot und eine ausgesprochen hübsche Blattform.
Er ist wärmeliebend, bedingt stadtklimafest, hat einen mäßigen Nähstoffbedarf und ist empfindlich gegen Bodenverdichtung. Er wächst langsam und bildet auch ohne Schnitt eine dichte Krone.
Der Apfeldorn (Crataegus lavallei ‚Carrierei‘)
Der Apfeldorn ist laubabwerfend. Er hat einen aufrechten Wuchs und blüht weiß im Mai. Das Laub ist dunkelgrün und er bildet orange-rote Früchte im Herbst, die meist bis in den Winter anhaften.
Der Apfeldorn ist gut frosthart und stadtklimafest, er verträgt Trockenheit und Hitze, benötigt aber sehr nähstoffreiche Böden, sonst besteht die Gefahr von Kümmerwuchs. Er bildet im Alter eine ausgeprägt breite, flach gewölbte Krone.
Die Stechpalme (Ilex aquifolium‘Nellie R. Stevens‘)
Stechpalmen sind immergrün. Bei dieser Art ist die dichte Krone pyramidenförmig. Sie zeigt ihre weiße Blüte im April bis Mai, hat ein dunkelgrünes Blatt und trägt rote Früchte im Herbst.
Sie bevorzugt durchlässigen, humosen Boden, ist wärmeliebend und bedingt stadtklimafest.
Die Krone wächst pyramidenförmig, ist langsam wachsend und gut schnittverträglich.
Einige Exemplare stehen in den Grüben in Burghausen und gedeihen dort sehr gut.
Derzeit stehen acht kränkelnde Baumgreise am Stadtplatz, für die in absehbarer Zeit neue Bäume als Ersatz gepflanzt werden müssen. Voraussichtlich werden je zwei der beschriebenen Baumarten im Frühjahr 2021 gepflanzt werden. Sie werden sowohl auf der Ost- wie auf der Westseite stehen, damit man Erfahrungen sammeln und beurteilen kann, wie die unterschiedlichen Klimata am Stadtplatz den Bäumen bekommen. Geplant ist, die Entwicklung der Bäume über mehrere Jahre hinweg zu beobachten. In einigen Jahren, wenn die größere Sanierung des Stadtplatzes ansteht, kann man dann aufgrund der gemachten Erfahrungen entscheiden, für welche Baumart man sich dauerhaft entscheidet.
Damit auch die Bevölkerung die Entwicklung gut verfolgen kann, werden die Bäume mit Schildern gekennzeichnet. Während der Anwachsphase können die Baumscheiben nicht bepflanzt werden. Darüber wurden die betroffenen Baumpaten bereits im Vorfeld in Kenntnis gesetzt.
Ute Sesselmann
Bild: Burg – Stadt – Vorstadt Tittmoning, Stadtgeschichte um 1800 von Richard Ruhland