Im letzten Stadtblatt waren die Regionalinitiativen schon Thema: die Ökomodellregion Waginger See – Rupertiwinkel, das LEADER-Förderprogramm mit den Aktivitäten der LAG LEADER und die ILE Waginger See – Rupertiwinkel als Verein „Zukunftsregion Rupertiwinkel“. An dieser Stelle sei der Hinweis nachgetragen, dass über die gemeinsamen Aktivitäten der Kommunen in unserer Region das „Jahrbuch der Regionalinitiativen 2020“ Aufschluss gibt, das kostenlos bei der Stadtverwaltung erhältlich und auch online abrufbar ist.
Jahrbuch der Regionalinitiativen
Der ausführliche und anschauliche Rückblick auf das Jahr 2020, der leider erst mit Verzögerung fertig wurde, liefert wertvolle grundsätzliche Einblicke in die Ziele, Organisationsstrukturen, Projekte und Aktivitäten der Regionalinitiativen sowie ihre Zusammenarbeit. Die dort vorgestellten Projekte, die andere Vereine und Kommunen der Region etwa mit Hilfe des „Regionalbudget“-Förderprogramms der ILE oder der LEADER-Kleinprojekte-Förderung realisiert haben, können Anregung und Ermutigung auch für Tittmoninger Akteure sein. Zusätzlich stellt das bayerische Landwirtschaftsministerium in diesem Jahr mit dem „Verfügungsrahmen Ökoprojekte“ erstmals einen Fördertopf für die Öko-Modellregionen bereit.
„Die Regionalinitiativen können uns dabei unterstützen, passende Rahmenbedingungen zu schaffen, um möglichst vielen Akteuren die Möglichkeit zu geben, unsere Region als lebenswerte Heimat zu erhalten und nachhaltig und gemeinwohlorientiert weiterzuentwickeln“, heißt es im Vorwort zum Jahrbuch, das Bürgermeisterin Stefanie Lang (Taching am See) und die Bürgermeister Andreas Bratzdrum (Tittmoning), Matthias Baderhuber (Waging am See) und Hans-Jörg Birner (Kirchanschöring) in ihrer Funktion als Vorsitzende bzw. Sprecher von LEADER LAG Traun-Alz-Salzach, Ökomodellregion und ILE unterzeichnet haben. Dafür werden alle Initiativen ständig evaluiert und weiterentwickelt.
Generell kann die Bedeutung der Regionalinitiativen für unsere Zukunft kaum überschätzt werden. Den globalen Problemen kann und muss auf regionaler Ebene begegnet werden, nachhaltig und ganzheitlich. Wir haben in den letzten Jahren erfahren, wie weltweite Krisen und Katastrophen, etwa durch den Klimawandel bedingte Extremwetterereignisse oder die Corona-Pandemie, aber auch Artensterben, drohender Ressourcenmangel und Krieg unser aller Dasein gefährden. Die Zukunftsfähigkeit einer Region hängt davon ab, wie widerstandsfähig sie dagegen ist – wie es um ihre Resilienz bestellt ist.
Der Begriff Resilienz (von lateinisch resilire: „zurückspringen“, „abprallen“) bezeichnet in der Psychologie die menschliche Fähigkeit, extreme Situationen durchzustehen, ohne Schaden an der Seele zu nehmen. Mittlerweile zum Modewort geworden, kennt man Resilienz etwa auch aus der Soziologie als Fähigkeit einer Gesellschaft, externe Störungen zu verkraften, aus der Ökologie als Fähigkeit eines Ökosystems, nach einer Störung zum Ausgangszustand zurückzukehren oder aus der Energiewirtschaft, wo der Begriff die Ausfallsicherheit in der Energieversorgung beschreibt. Resilienz definiert sich also generell als „Fähigkeit eines Systems, seine Funktionsfähigkeit unter Belastungen aufrechtzuerhalten bzw. kurzfristig wiederherzustellen“, also Widerstandsfähigkeit, Robustheit, Krisenfestigkeit aus sich selbst heraus.
Auf eine Kommune oder Region bezogen meint „Resilienz“ deren Fähigkeit, auch im Krisenfall ihrer Kernaufgabe, der Daseinsvorsorge, nachzukommen und für das Wohlergehen ihrer Bevölkerung zu sorgen. Zukunftssicher und krisenfest „aus sich selbst“ wird eine Region durch möglichst große Unabhängigkeit von äußeren Einflüssen. Das wird immer wichtiger, je häufiger und ernster die weltweiten Krisen werden, denen wir alle ausgesetzt sind. Im Bereich der Energie wird uns das gerade sehr drastisch vor Augen geführt.
Im kommunalen Verbund lässt sich gemeinsam über solche Themen nachdenken und anschließend wirkungsvoller handeln: In der Ökomodellregion arbeiten zum Beispiel zehn Kommunen zusammen, um u.a. den Anteil an heimischen Bioprodukten in der Verpflegung zu erhöhen; sechzehn Kommunen der Regionen Chiemgau und Rupertiwinkel haben sich zum Regionalwerk zusammengeschlossen, um sich im Bereich der Energie zukunftsfähig und unabhängiger aufzustellen; mit LEADER-Projekten wird u.a. die regionale Wertschöpfung im ländlichen Raum nachhaltig gestärkt.
Die ILE Waginger See – Rupertiwinkel wurde jüngst als eine von drei bayerischen Modellregionen dazu ausgewählt, das Resilienzkonzept in die Instrumente der ländlichen Regionalentwicklung zu integrieren. Betrachtet werden dabei Themenfelder aus allen Bereichen des Lebens, von Energie über Wirtschaft/Tourismus/Konsum und Siedlung/Bauen, von Mobilität, Land-/Forstwirtschaft und Ernährung, Kultur/Bildung und sozialem Zusammenhalt bis zu Landschaft und Biodiversität. Tittmoning ist mit dabei.
Dr. Gerda Poschmann-Reichenau