Spatz am Dach

Der Spatz legt keinen Wert darauf, dass seine Behausung groß was hermacht. Eine gemauerte Villa, wie die Schwalben, tät er ja nicht einmal als Nachmieter beziehen wollen. Und gar in einem Fertigkobel wohnen wie der Starl oder in einem Reihen-Nistkastl wie die Meise … ja mi hättst ghaut, da beutelt s ihn gleich vor lauter Abscheu. Nein, ein windgeschützter Platz unter einem Dach tut s ihm allemal, katzensicher soll er sein und nicht zu weit von den anderen Spatzen weg, Geselligkeit schätzt er mehr als Wohnkomfort. Auch mit der Einrichtung plagt er sich nicht sehr, daheim ist er eh selten.

Mit vielen Menschen in der Stadt verbindet ihn daher eine grundsätzliche Sympathie. Einen Schutthaufen vor dem Haus findet er malerisch, heruntergefallener Putz sieht viel natürlicher aus als glatte Fassade, findet er, und die Farbe, die dabei zu Tage kommt, gefällt ihm schon allein deswegen, weil sie genau so grau-braun-gfleckert ist, wie sein Federkleid. Also nach ihm wenn s ginge, sollte der Denkmalschutz grundsätzlich jede Veränderung verbieten und die Renovierungswütigen mit allen Mitteln abschrecken und verscheuchen.

Die Schutthäufen auf dem Gehsteig und die Abstützungen baufällig gewordener Häuser verhindern nebenbei auch gleich, dass die Leute so zielstrebig über die Plätze hasten und durch die Gassen hetzen, als ob sie ein Schwarm grantiger Wespen verfolgen täte. Lasst euch Zeit, möchte er den Geschäftigen zu-ziepen, genießt den Tag, in der Ruhe liegt die wahre Kraft. Hockts euch in die Biergärten, machts Brotzeit, wer nicht genießt, wird ungenießbar, denkts dran, wie kurz das Leben ist und wie lang die Ewigkeit danach.

Der Reiz des Verfalls hat außer dem geselligen auch einen kulturellen Aspekt. Weil natürlich ein Stadttor, das so aussieht, als ob es nimmer lang herhalten würde, die Verkehrsteilnehmer abschrecken würde, insbesondere die mit den dicken Lastwägen, die ein Verkehrstaferl locker ignorieren, aber herabfallende Steinbrocken nicht. Die würden dann draußen bleiben und die Verkehrsberuhigung am Stadtplatz würde sich ganz von selber ergeben. Stellt euch vor, wie schön es wäre, die Mariensäule einmal aus dem Abstand betrachten zu können und den Florianibrunnen ohne geparktes Blech rund rum! Der Spatz hat echt schon überlegt, ob er nicht einmal im Sommer bei offenem Fenster in den Sitzungssaal fliegt und dem Stadtrat die Meinung sagt: ­ziiiiiep!