Genau genommen war der zwanzigste Geburtstag schon im vergangenen Sommer, aber manchmal brauchen gute Dinge und das rechte Feiern ihre Zeit. Und so feiern wir das runde Jubiläum des Gerbereimuseum s am Ende seines 21. Jahres. Leder braucht ja auch seine Zeit… zum Beispiel dauerte es im 16. Jahrhundert noch ein ganzes Jahr, bis aus der Kuhhaut ein Lederschuh gemacht werden konnte!
2004 ist das „Geburtsjahr“ des grenzüberschreitenden Museums, das zweigeteilt ist oder doppelt, wie man’s sieht: Die Dauerausstellung in Tittmoning widmet sich vornehmlich der Rotgerberei, die im Museum Fronfeste im österreichischen Neumarkt am Wallersee der Weißgerberei. Die gemeinsame Gründung der beiden Sammlungen erfolgte im Rahmen eines EU-Interreg-Projekts „Gerben ohne Grenzen – von der Lederhaut zur Lederhose“ und führte zu intensiver Zusammenarbeit engagierter Menschen diesseits und jenseits der Salzach. Insbesondere sind hier natürlich die Museumsleiterinnen Ingrid Weydemann (Neumarkt) und Waltraud Jetz-Deser (Tittmoning) zu nennen.
Bevor es zum Gerbereimuseum auf der Burg kam, wurde richtig angepackt und mit einer fast neunzigprozentigen Förderung dem Verstauben entgegengewirkt: Die in der Nähe von Kirchheim in einem Stadel eingelagerte Werkstatt der Gerberei Wandinger wurde renoviert, mit Objekttexten und Bildern versehen und museumsreif gemacht. Über den Ort der Unterbringung, den Gewölberaum im Erdgeschoss des „Troadkastens“ auf der Tittmoninger Burg, wurde damals im Stadtrat und im Historischen Verein heftig diskutiert. Heute könnte man sich wohl keinen besseren Platz dafür vorstellen, ein barrierefrei zugänglicher Raum, der zugleich als Besucherzentrum und als Empfang für Museums- und Burgbesucher dient.

Das interaktive, besonders für Kinder ansprechende Museum dokumentiert die lange Tradition der Gerberei in Tittmoning. Die Grundlage dafür stellt die oben erwähnte umfangreiche Sammlung aus der Rotgerberei der Tittmoninger Familie Wandinger dar, die der Stadt überlassen wurde. Sie betrieben das Handwerk von 1878 bis 1953 am Gerberberg, wo der Ponlachbach die nötige Wasserversorgung lieferte. Die Geschichte der Gerberei in Tittmoning lässt sich aber wesentlich weiter zurückverfolgen: Schon im 16. Jahrhundert wurde hier Leder hergestellt. Auch davon zeugt das Museum.
Unter dem Motto „Gerben ohne Grenzen“ entwickelte sich das Gerbereimuseum zu einem sogenannten Programm-Museum. Seit der Eröffnung gab es zahlreiche Sonderausstellungen, die meisten davon grenzüberschreitend und mit EU-Mitteln gefördert. In diesem Kontext entstanden Begegnungen, konstruktive und kreative Zusammenarbeit sowie innovative Schulprojekte und museumspädagogische Programme, wie „Hui Gerber“, „Schuhe machen Schule“, „Grenzwelten und Schmugglergeschichten“ im Rahmen der Bayerischen Landesausstellung. Für dieses Projekt gab es sogar einen Preis vom Kultusministerium.
Wirtschaft und Kultur zusammenzubringen, ist eine zukunftsweisende Aufgabe des Museums, sie wurde u.a. mit der Firma Meindl gepflegt. Insbesondere Alfons und später Lukas Meindl waren engagierte Partner in dieser Zusammenarbeit. Damit Museum lebendig und bei den Menschen ist, braucht es auch die Vernetzung mit Vereinen, Verbänden und Organisationen vor Ort und in der Region. Auch das konnte bei den Sonderausstellungen praktiziert werden: Die ortsansässigen Trachtenvereine, aber auch viele Privatpersonen trugen gern und aktiv zur Museumssammlung bei. Davon erzählen Objekte wie ein Ranzen, ein Schulpack, alte Koffer oder ein Mieder mit Lederbesatz. Die Trachtler brachten sich ganz konkret bei der Ausstellung „Lederwix und Krachlederne“ ein. Das amüsante BR-Interview der Lederhosenträger gibt es in der Jubiläumsausstellung zu hören.
Das über zwei Jahre dauernde Projekt zum Winterbrauchtum 2018/2019 gehört wohl zu den Höhepunkten des Programms im Gerbereimuseum. Dazu drehte die österreichische Filmemacherin Gabriele Neudecker u.a. auf der Burg in Tittmoning den preisgekrönten Film „Gruß vom Krampus“ (Trailer). Die gleichnamige Sonderausstellung war ein Besuchermagnet mit über 2000 Besuchern. Heute sind davon noch informative Würfel zum Thema Brauchtum und die Geschichte von der Habergoas in der Dauerausstellung des Museums Rupertiwinkel im Landwirtschaftssaal zu sehen.
Das Jubiläum wird jetzt am Museumswochenende mit einer kleinen Sonderausstellung zum Thema „Leder macht Geschichte“ gefeiert, welche die Höhepunkte der Sonderausstellung nochmals Revue passieren lässt. Unter dem Motto „Museum mit Freude entdecken“ ist die Jubiläumsfeier eingebettet in die Lange Nacht der Museen am Samstag, den 17. Mai (18 bis 22 Uhr), und den Internationalen Museumstag am Sonntag, den 18. Mai (11 bis 16 Uhr). Am Samstagabend gibt es einen Erzählkunstabend mit Musik der Tittmoninger Sängerin und Erzählkünstlerin Steffi Schönlinner, die gemeinsam mit den Gitarristen Reimund Fandrey und Gerald Klinger im Gerbereimuseum „Geschichten von Wandlung und Verwandlung“ präsentiert. Am Sonntag folgt ab 11 Uhr eine Jubiläumsmatinee im Burghof mit dem Instrumentalduo „As Time Goes By“. Neben den Museumsführungen, die ab 13 Uhr immer zur vollen Stunde angeboten werden, gibt es aus Anlass der Jubelfeier zusätzlich Gerbereimuseumsführungen immer zur halben Stunde. Hier erfährt man alles Wissenswerte über das Gerberhandwerk, dem mit dem Museum vor 21 Jahren ein Denkmal in Tittmoning gesetzt wurde. Für Kinder wird in der Museumswerkstatt ein Bastelprogramm angeboten.
Dr. Gerda Poschmann-Reichenau