Heute im Museum Rupertiwinkel auf der Burg Tittmoning
Zu den Besonderheiten des Museums Rupertiwinkel auf der Tittmoniger Burg zählt die sogenannte „Fridolfinger Krippe“. Sie wurde 1963 von dem damaligen Tittmoninger Museumsleiter und Kreisheimatpfleger Dr. Georg Poschacher von den Wagnerbauernleuten für das Museum erworben.
Die Krippe, wie sie heute im Museum präsentiert wird, ist nur ein kläglicher Rest eines ursprünglich sehr umfangreichen Krippenfundus, welcher im Laufe von Jahrzehnten entstanden ist und früher mit Hilfe eines Mechanismus in Bewegung gesetzt werden konnte. Ein Gewicht wurde aufgezogen und trieb die Krippenfiguren an. Der Holzhacker fällte Bäume, eine Bäuerin rührte Butter, Kühe wurden gemolken, der Kuckuck schrie, ein Hund bellte, Soldaten marschierten auf und einer davon machte unentwegt Ehrenbezeichnungen, Rehe kamen aus dem Dickicht hervor und ein Kapuzinermönch näherte sich dem weihnachtlichen Geschehen an der Krippe.
Die komplette ländliche Arbeitswelt war dargestellt: Es wurde Holz geschnitten, in der Tenne Getreide gedroschen, Kornsäcke wurden von einem Pferdegespann abgeladen und zur Mühle getragen, Frauen holten Wasser vom Bach. Ein emsiges Leben und Treiben, das da unter dem Krippenvolk herrschte und jeden Betrachter in Staunen versetzte.
Wer war es, der über ein so großes handwerkliches Geschick verfügte und so viel Arbeit, Mühe und auch Liebe aufbrachte, um ein solches Werk wie diese Krippe zu schaffen? Es war Thomas Maier, Sohn des Wagnerbauern von Fridolfing. Bereits als Kind war er handwerklich sehr geschickt, pflanzte und veredelte bereits im Kindesalter Obstbäume und legte sich einen eigenen Bauerngarten mit vielen Blumen an. Später baute er zum Garten ein kleines Sommerhäuschen, der Ursprung der späteren „Klause“. Dieses Sommerhäuschen wurde immer wieder erweitert. 1845 wurde in Fridolfing ein Jünglingsbund, die Aloisianer, gegründet, dem auch Thomas Maier angehörte. Das Sommerhäuschen wurde zur Klause und diente als „Vereinsheim“, wo sich die Mitglieder zum Gebet und zu erbaulichen Gesprächen trafen. Die Burschen errichteten einen Altar, der mit einer Kopie des Gnadenbildes von Maria Kirchenthal geschmückt war. 1847 wurde die Klause wiederum erweitert, um allen Mitgliedern der religiösen Vereinigung Platz geben zu können. Sogar ein kleiner Turm mit Kreuz auf der Spitze wurde errichtet. Nach weiteren Umbauten wurde im oberen Geschoss der Andachtsraum eingerichtet, dazu schenkten ihm Nachbarn und Verwandte weitere Einrichtungsgegenstände und Heiligenfiguren.
Ab 1850 begann er sein Lebenswerk, die Krippe, die wohl von Anfang an für mehrere veränderbare Szenen geplant war. Die Krippe fand schließlich in der Klause ihren Platz, und bereits für die ersten Jahre wird ein zahlreicher Besuch notiert. Thomas Maier sagte über seine Klause: „Die Klause ist ein Ort der Ruhe und des Friedens, und jeder gutgesinnte Mensch hat seinen freien Zutritt, aber der böswillige Mensch wird sie schon selber meiden.“
Auch die Geschwister von Thomas halfen beim Bau der Krippe mit, ohne deren Zutun hätte er sein Vorhaben wohl kaum in solchem Ausmaß verwirklichen können. Sein Bruder Josef gab viel Geld für die Technik aus und verbaute diese im himmlischen Geschehen. Die Schwestern Johanna und Walburga nähten fleißig für die Kripperl-Leut. Die Krippe wuchs zusehends, Hügel, Berge, Mauern und Städte bildeten die Kulisse, unzählige Figurengruppen bereicherten das Heilige Geschehen. Es wurden extra farbige und kunstvoll gestallte Glasfenster angeschafft, welche die Krippe in besonderen Farben erstrahlen ließ. Kein Wunder, dass an so manchen Tagen in der Weihnachtszeit die Klause zu klein wurde, um alle Besucher fassen zu können. In einem Bericht heißt es: „ Von weit und breit, von Bayern und Österreich fuhr alles her zum Kripperl schauen. Bauern, Stadtleut, Brauer und Wirt, Metzger und Händler. Sie kamen mit noblen Gespannen, Rennschlitten oder zu Fuß. Was alle besonders beeindruckt hat: G’rührt hat si ois, wos drin war in dem Kripperl.“
So geizten die Besucher auch nicht mit Spenden, welche der Besitzer aber nicht für sich verwendet hat, sondern den Kapuzinern in Laufen zukommen ließ.
Die Klause samt Kapelle wurde nie offiziell geweiht. Um 1850 fanden sich dort bereits über 60 gerahmte Bilder, vorwiegend mit Herz Jesu- und Herz Mariä-Darstellungen, die ähnlich wie Votivgaben, von den Besuchern der Klause gestiftet wurden.
1856 erlebte Thomas Maier einen schweren Schicksalsschlag. Bei der Holzarbeit im Wald zog das Ochsengespann zu früh an, Thomas Maier stürzte und kam mit den Beinen unter den schweren Holzstamm.
Bei dem Unglück machte er das Gelübde, zu Fuß eine Wallfahrt nach Rom zu unternehmen und die Krippe weiter auszubauen. Beiden Versprechen ist er nachgekommen. So erfuhr die Krippe eine ständige Erweiterung der szenischen Darstellungen.
Nach dem ersten Weltkrieg wurde es immer stiller um die Klause. Thomas Maier und seine Geschwister waren längst verstorben. Alle Geschwister blieben unverheiratet und hatten zuletzt noch einen dreizehnjährigen Buben angenommen, der dann den Hof übernahm und die Klause mit der Krippe noch lange pietätvoll pflegte.
Nachdem die Besucher ausblieben, gaben es die Hofbesitzer allerdings auf, die Krippe und Klause weiter instand zu halten. 1959 musste die Klause beseitigt werden. Sie war morsch geworden und drohte einzustürzen. Der Sinn der Bevölkerung für derartige Zeugnisse der Frömmigkeit hatte sich stark gewandelt, man belächelte sie mitleidig und schätzte sie nicht.
Thomas Maier wurde von einigen Mitmenschen seiner Zeit als einschichtiger Sonderling betitelt. Wenn man allerdings seinen Eifer und Ehrgeiz in seinem Lebenswerk betrachtet, merkt man, dass sein ganzes Leben von einer ernstgemeinten und tiefen Geistes- und Frömmigkeitshaltung steht, welcher wir dieses einmalige und wertvolle Kunstwerk verdanken.
Quellen: Hans Roth und Fritz Schmitt, Josefa und Berta Schiefer
Rainer Zimmermann