Können Vereine an Corona sterben?

Gleich vorweg: können sie nicht, denn die Mitglieder tragen ihre Vereine auch durch diese schwierige Zeit der Lockdowns. Wer im letzten Jahr die Lokalseiten der Südostbayrischen Rundschau betrachtet hat, dem müsste längst klar sein, dass die Vereine in den Gemeinden einen Großteil des sozialen und kulturellen Lebens ausmachen. Gähnende Leere herrschte in den Spalten, denn es gab kaum lokale Nachrichten von Vereinsfesten, von Jahreshauptversammlungen, von Wettkämpfen oder Veranstaltungen – die alle immer ehrenamtlich von den vielen Aktiven in den Vereinen organisiert und durchgeführt wurden.
Was machen nun die vielen Menschen in dieser Zeit, in der sie zum Stillhalten gezwungen werden und wie wird sich das auf die Zukunft der Vereine auswirken?

Wir wollen zwei sehr unterschiedlich strukturierte Tittmoninger Vereine herausgreifen und deren Situation schildern.

Der Georgiverein

Vor hundert Jahren ließ Dr. Brixner in Tittmoning die Tradition des Georgiritts wieder aufleben. 1922 wurde der Georgiverein Tittmoning-Kirchheim e.V. gegründet. Der einzige Zweck des Vereins ist die Durchführung des Ritts. Trotzdem sind die Mitglieder überwiegend keine Pferdebesitzer. Sie unterstützen durch ihre Mitgliedschaft einfach die Idee des Georgiritts.
Für den Verein stünden jetzt also zwei Jubiläen an: Dieses Jahr hundert Jahre Georgiritt in Tittmoning und im kommenden Jahr hundert Jahre Georgiverein Tittmoning-Kirchheim e.V. – aber beide Jubiläen können nicht gefeiert werden
Um einen Ritt auf die Beine zu stellen, braucht es viel Vorarbeit. Reitvereine, Kutschenfahrer, Musikkapellen müssen angeschrieben und um Teilnahme gebeten werden. Für die Sicherheit muss gesorgt werden. Die Zugaufstellung muss festgelegt und es müssen ausreichend Helfer für die Umsetzung gesucht werden. Die Finanzierung des Ritts muss über Spenden, Vereinsgelder und den Verkauf von Zeichen geregelt werden.

Ein Großteil dieser Aktivitäten ist nicht über Home-Office zu machen, sondern läuft über persönliche Kontakte, die derzeit nicht gestattet sind. Auch für den Ritt selbst ist es schwierig bis fast unmöglich ein Hygienekonzept zu erstellen, das den Ritt auch unter Pandemie-Umständen ermöglichen würde. Nach 2020 wurde daher nun auch für 2021 der Ritt abgesagt.
Christa Kräbl, Mitglied des Vorstands, erzählt, dass seit fast einem Jahr keine Treffen mehr stattgefunden haben. Kontakt wurde nur per Telefon gepflegt. Ausfahrten oder Ausritte erfolgten jeweils privat, nicht mehr in Gruppen. Teilweise ist die Frustration groß über den absoluten Stillstand im Verein. Trotzdem gibt es bisher keine Austritte, die Mitglieder halten ihrem Verein die Treue. Finanziell hat der Verein keine Probleme. Wenn kein Georgiritt stattfindet, fallen auch kaum Ausgaben an.
Sowohl Mitglieder als auch Zuschauer hoffen nun natürlich auf einen umso prächtigeren Jubiläums-Ritt 2022.

Foto von der Tribühne im Sportpark des TSV Tittmoning
Tribühne im Sportpark des TSV Tittmoning

Der TSV

Beim TSV Tittmoning stellt sich die Situation etwas anders dar. Der neue Sportpark wartet nach wie vor auf seine Einweihungsfeier und vor allem auf sportliche Aktivitäten. Derzeit sind die Flächen und Gebäude verwaist. Auf der Webseite des TSV wurden im Herbst 2020 hoffnungsvoll noch viele neue Kurse angekündigt, doch unter der Rubrik „Bevorstehende Veranstaltungen“ beschreibt der Satz „Es gibt keine neuen Veranstaltungen“ die Situation am besten.

Ein Interview mit Martin Schupfner, dem Leiter der Abteilung Fußball, bringt jedoch einige Überraschungen ans Licht. Zwar war seine erste Reaktion auch „Wir dürfen derzeit gar nix.“ Aber auf Nachfrage zeigt es sich, dass es einige kreative Geister im Verein gibt, die versuchen die Jugend virtuell bei der Stange und fit zu halten. So trainiert Eduard Buxmann die A-, B- und die C-Jugend der JFG Salzachtal bereits den ganzen Winter über zweimal wöchentlich per Zoom. Sechzig bis fünfundsechzig Jugendliche sind regelmäßig dabei. Das Training ist in eine Kraft-/Ausdauereinheit und eine Stabilitätseinheit aufgeteilt. An den Wochenenden ist Lauftraining angesagt. Die absolvierten Kilometer zusammen mit der Laufzeit werden durch die adidas-App festgehalten und per Screenshot an die Trainer übermittelt.
Zusätzlich bot man der B-Jugend sieben Einheiten Mentaltraining per Video mit Thomas Hiermeier an. Das Mentaltraining war fußball-spezifisch angelegt und beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie man mit Niederlagen umgehen kann.
Die Herrenmannschaft des TSV wird seit Januar von Johannes Stockhammer trainiert, auch hier über Zoom und online.
Jetzt im Frühjahr wäre es an der Zeit, gemeinschaftlich die Plätze herzurichten. Wie das mit Abstandsregeln und Corona-Auflagen aussehen soll, kann man sich im Verein noch nicht vorstellen. Erfreulich ist, dass es auch im TSV keine Corona-bedingten Austritte aus dem Verein gab. Die Mitglieder schätzen die Arbeit ihrer Vereine sehr und lassen sie auch in den jetzigen Zeiten nicht im Stich. Tendenziell kann man sich sogar eher über Mitgliederzuwachs freuen.

Zermürbend für alle sind die permanente Unsicherheit und die Vertröstungen von Woche zu Woche. Eine eindeutige und verbindliche Aussage, ab wann die Vereine ihre Aktivitäten wieder aufnehmen können – auch wenn das mit bestimmten Auflagen verbunden sein sollte – würden alle sehr begrüßen.
Ute Sesselmann

Zurück zur Hauptseite