BDS Tittmoning, Corona, Gewerbe, Gewerbeverband, Pandemie

Will denn niemand mehr arbeiten?

Arbeitskräftemangel trübt die Geschäftserwartungen des Gewerbes ein

Kaum sind die existenzbedrohenden Einschränkungen durch die Corona-Schutzmaßnahmen weitgehend überwunden, hat das regionale Gewerbe eine neue dickschalige Nuss zu knacken: Es fehlen Arbeitskräfte. Die Tendenz war schon länger erkennbar. Handwerk und Gastronomie klagten darüber, dass ihr mühsam angelerntes Personal von der Industrie abgeworben werde. Stellenangebote blieben ihrem Platz in der Zeitung monatelang treu. Ausbildungsinitiativen wie z.B. der Boys’ and Girls’ Day wurden immer aufwändiger und attraktiver gestaltet, die Universitäten kamen aufs Land und brachten Wissenschaft und Gewerbe im „Campus“ zusammen. Trotzdem ist die Kritik an der Regierung lauter geworden. Die Verantwortlichen hätten die absehbare Entwicklung verschlafen, die Möglichkeiten, für Arbeitswillige die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen zu verbessern, würden nicht genutzt, das Bildungssystem sei veraltet und Berufsanfänger seien zu wenig auf die moderne Arbeitswelt vorbereitet. Der BdS Bayern, Dachorganisation der regionalen Gewerbeverbände, stellt der Regierung (der in Berlin ebenso wie der in Bayern) in einer aktuellen Umfrage das schlechteste Zeugnis aller Zeiten aus.

Der Verdruss über vermeintliche Fehlleistungen von Staat und Regierung ist verständlich, aber auch eine ideale Verwaltung könnte das Problem der Überalterung der Gesellschaft nicht lösen. Die Alterskohorte der Babyboomer hat das Rentenalter erreicht und scheidet aus dem aktiven Berufsleben aus. Auf der Nachfrageseite sind sie aktiv; viele haben ein Leben ohne wirtschaftliche Krisen geführt und hohe Ruhestandsbezüge und Rücklagen erworben. Die Lücke beim Angebot soll nun eine Altersgruppe füllen, die gerade einmal halb so zahlreich ist. Weder Rationalisierung noch Zuwanderung können die Differenz ausgleichen, zumal beide, Roboter wie Ausländer, nicht gerade herzlich willkommen sind.

Die angesagte „Zeitenwende“ wird auf vielen Gebieten unbequem. Der Dürresommer hat gezeigt, dass der Klimawandel kein Hirngespinst grüner Spinner ist. Extreme Schwankungen (voriges Jahr Hochwasser, heuer Trockenheit) treten nicht einmal in hundert Jahren auf, sondern laufend; die von internationalen Konzernen ins Unermessliche getriebenen Energiepreise (Konzerne sind Apparate, sie können sich gar nicht schämen) ängstigen nicht nur Gewerbetreibende und die Inflation ist dabei, die Höchstmarken der 1970er Jahre zu überspringen. Wer, wenn nicht die Gewerbetreibenden, Handwerker und Gastronomen, sind flexibel genug, auf solche Szenarien schnell genug zu reagieren?

Auch wenn der Gewerbeverband unserer Region weder Patentrezepte anbieten noch selbst die Bedrohungen lindern kann, ist er als Interessenvertretung aktiv. Auf der Jahreshauptversammlung, die am 13. Oktober bei Rosenberger in Fridolfing stattfinden wird, wird der Vorstand berichten und werden vertrauenswürdige Referentinnen die Lage beurteilen. Das Nähere wird im Einladungsschreiben, in der Tagespresse und auf der Homepage www.bds-tittmoning.de bekannt gegeben.

Josef Wittmann